FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Ratsmitglied Pierre Wunsch sieht die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus mit großer Sorge und mahnt deshalb höchste Wachsamkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) an. "Es ist fair zu sagen, dass die Risiken für die Euro-Wirtschaft aktuell abwärts gerichtet sind und dass die Unsicherheit erheblich zugenommen hat", sagte Belgiens Zentralbankchef im Interview mit der Börsen-Zeitung. Das Coronavirus sei "eine neue Gefahr", die die bestehende Risikoliste verlängere. "Da müssen wir sehr wachsam sein", sagte Wunsch.
Seiner Ansicht nach ist die Euro-Wirtschaft bislang "auf Kurs" gewesen und die jüngste Erholung der Einkaufsmanagerindizes habe dafür gesprochen, "dass es eine positive Grunddynamik in der Euro-Wirtschaft gab". Wegen des Coronavirus' könne das Wachstum nun aber geringer ausfallen als von der EZB bislang unterstellt. "Das wäre ein Grund zur Sorge, weil die Inflation ohnehin unterhalb unseres Ziels von unter, aber nahe 2 Prozent liegt", sagte Wunsch. Zugleich warnte Wunsch aber auch vor Schwarzmalerei: "Die wirtschaftliche Erholung im Euroraum verzögert sich womöglich um ein oder zwei Quartale, sie ist aber nicht abgesagt."
Wunsch machte klar, dass aus seiner Sicht eine Zentralbank im Notfall entschlossen handeln müsse. "Eine Zentralbank darf keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie entschlossen ist zu handeln und fähig, etwas zu bewirken. Sonst multipliziert sich nur die Unsicherheit im System", sagte der Notenbanker. Geldpolitisches Stückwerk erhöhe nur das Risiko, noch sehr viel länger expansiv sein zu müssen. Wenn es das Risiko einer Rezession gebe, müsse alles getan werden, was möglich sei.
"Man muss aber auch nicht bei jedem negativen Schock handeln, wenn die Forward Guidance von den Märkten richtig interpretiert wird", sagte Wunsch zugleich. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe liege aktuell bei rund minus 0,6 Prozent und die Euro-Inflation bei rund 1,3 Prozent. Der reale Zins betrage also knapp minus 2 Prozent. "Die aktuelle Ausrichtung der Geldpolitik unterstützt also die Wirtschaft auf dem Pfad Richtung Potenzialwachstum und mehr Inflation", sagte Wunsch.
Der Notenbanker äußerte sich auch mit Blick auf die Fiskalpolitik zurückhaltend. "Ich plädiere dafür, dass wir unsere verbleibende fiskalische Munition nicht überstürzt abfeuern sollten. Die Euro-Wirtschaft befindet sich nicht in der Rezession und es werden immer noch Arbeitsplätze geschaffen", sagte er. Die jüngste Staatsschuldenkrise in Europa sei nicht einmal zehn Jahre her und es gebe schon Leute, die sagten, dass es bei Null- und Negativzinsen keine Grenzen für die Staatsschulden gebe. "Ich kann nur davor warnen, die Märkte schon wieder zu testen", sagte Wunsch.
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March 02, 2020 09:19 ET (14:19 GMT)
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