BERLIN (Dow Jones)--Der Grünen-Außenpolitiker Cem Özdemir hat die Bundesregierung in der zugespitzten Flüchtlingslage aufgefordert, den wirtschaftlichen Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu erhöhen. "Ich erwarte von der Bundesregierung, endlich Schluss mit der Besänftigungspolitik gegenüber Ankara zu machen, den Hebel unserer engen wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei einzusetzen und die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei von Europa zu nutzen, damit Erdogan seine zynischen Machtspiele nicht länger auf dem Rücken der Schwächsten austrägt", sagte der langjährige Grünen-Chef der Funke-Mediengruppe.
Die Grünen fordern seit dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien, dass Deutschland keine Wirtschaftsexporte in die Türkei mehr mit staatlichen Hermes-Bürgschaften absichert sowie alle Rüstungsexporte in das Nato-Land stoppt. Özdemir betonte, Erdogan ziehe aktuell "die allerübelsten Register der Politik", wenn er "mit Lügenmärchen" Geflüchtete an die europäische Grenze treibe und so die dramatische Lage auf den griechischen Inseln anheize.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sah unterdessen die Europäische Union in der Pflicht, die griechisch-türkische Grenze zu sichern, und forderte, es dürfe in der Flüchtlingspolitik keinen Kontrollverlust geben. "Die EU muss Griechenland dabei unterstützen, die Außengrenzen effektiv zu schützen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es dürfe nicht zugelassen werden, "dass Erdogan Menschen als politisches Druckmittel missbraucht". Es könne "nicht die Entscheidung der Türkei sein, wer in die EU einreisen darf und wer nicht".
Auch der CSU-Politiker und EVP-Vorsitzende im Europaparlament, Manfred Weber, hielt das Vorgehen der griechischen Regierung für richtig, Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze zurückzuweisen. Die Menschen müssten kontingentiert und nicht unkontrolliert aufgenommen werden, sagte Weber im Deutschlandfunk. "Wir können nicht zulassen, dass die Grenzverfahren, die im Schengen-Recht verankert sind, automatisch über Bord geworfen werden, nur weil es Erdogan politisch in die Tagesordnung passt", erklärte er.
Die Bundesregierung hatte am Vortag angesichts der verschärften Lage an der türkisch-griechischen Grenze ihr Festhalten an dem EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen bekräftigt und die Situation an den Außengrenzen der EU zur Türkei als "sehr beunruhigend" bezeichnet. "Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er natürlich nicht", hatte Regierungssprecher Steffen Seibert gesagt.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/
(END) Dow Jones Newswires
March 03, 2020 02:44 ET (07:44 GMT)
Copyright (c) 2020 Dow Jones & Company, Inc.