Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland muss sich nach Einschätzung des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, auf Corona-Tote einstellen. Auch müsse es alles dafür tun, dass sich die Ausbreitung des Virus verlangsame, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. In 80 Prozent der Fälle würde die Infektion milde verlaufen, aber bei einem von fünf Infizierten müsse mit einem ernsteren Verlauf gerechnet werden. Dann sei zum Teil auch eine Behandlung auf Intensivstationen nötig.
"Auch in Deutschland selbst wird es Todesfälle durch Covid-19 geben", so Wieler. Daher müsse man die Risikogruppe im Auge behalten. "Wir müssen alles daran setzen, diese Menschen zu schützen." Man solle nur wenn unbedingt nötig zum Arzt gehen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, für Menschen unter 50 Jahre sei das Risiko gering, für über 65-Jährige und chronisch Kranke dagegen erhöht. Deutschland habe mit 28.000 Intensivbetten eine im internationalen Vergleich gute Ausstattung, aber dennoch stelle das Coronavirus eine "Herausforderung dar für das deutsche Gesundheitssystem".
"Unser oberstes Ziel ist und bleibt die Ausbreitung zu verlangsamen", sagte Spahn. Er mahnte die deutsche Bevölkerung, Kontakte zu reduzieren und zu überdenken, ob man auf Großveranstaltungen gehen und reisen müsse. Wenn möglich, solle man von zu Hause aus arbeiten. Er sprach sich allerdings gegen eine Schließung der Schulen aus, weil damit auch Eltern betroffen sein würden, die in Krankenhäusern, bei der Polizei und im öffentlichen Personennahverkehr benötigt würden.
Auch Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charite Berlin, mahnte: "Das ist eine absolut ernste Situation. Wir haben nicht so viel Zeit, uns darauf einzustellen." Auch wenn man in Deutschland den Eindruck habe, es sei nicht so schlimm wie in anderen Ländern. "Auch bei uns wird sich das ändern, wir sind keine Ausnahme."
Jüngste Forschungsergebnisse aus den USA machten zudem wenig Hoffnung, dass die üblichen saisonalen Effekte die Epidemie ähnlich verlangsamen werden wie die Grippeinfekte im Frühjahr und Sommer abebbten. Es werde einen leicht dämpfenden Effekt geben. "Man darf nicht erwarten, dass das dann selbst zum Stillstand kommt", so Drosten.
Spahn (CDU) hatte bereits am Wochenende gefordert, dass Veranstaltungen mit mehr als tausend Menschen abgesagt werden sollten. Allerdings hatte er kein ausdrückliches Verbot ausgesprochen.
Bis Montagvormittag gab es nach Angaben des Robert Koch Instituts 1.112 registrierte Corona-Infizierte in Deutschland. Weltweit sind es mehr als 110.000 Menschen. In Italien, wo nach offiziellen Zahlen 7.382 Menschen betroffen sind, hat die Regierung am Sonntag wegen der Coronavirus-Epidemie den Norden des Landes weitgehend abgeriegelt.
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March 09, 2020 09:51 ET (13:51 GMT)
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