Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Die vergangenen Tage werden in die Finanzgeschichte eingehen. Ein Schwarzer Börsentag jagte den anderen. Am Donnerstag verzeichnete der DAX den zweitstärksten Einbruch überhaupt. Die Coronavirus-Epidemie zieht weiter ihre Kreise und versetzt die Börsianer in Panik. Das öffentliche Leben ist in vielen Ländern bereits zum Erliegen gekommen. Eine schwere weltweite Rezession und ein damit verbundener Anstieg von Unternehmensinsolvenzen erscheint nun unausweichlich. Die Unsicherheit wird noch Wochen andauern.
Die Lage ist schlimmer als nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Während es bei der Finanzkrise vor allem darum ging, den Finanzsektor mit Liquidität zu versorgen, geht die aktuelle Krise weit darüber hinaus. Das Coronavirus hat einen weltweiten Angebots- und Nachfrageschock ausgelöst, dem durch geldpolitische Lockerungen nicht beizukommen ist. Wenn Menschen, die unter Quarantäne stehen, nicht zur Arbeit und globale Lieferketten zusammenbrechen, helfen auch keine Liquiditätsspritzen.
Die US-Notenbank wird nächste Woche die Zinsen senken
Dass die Instrumente der Zentralbanken in dieser Krise nicht unmittelbar wirken, ist eine neue Erfahrung für die Finanzmärkte. Seit dem Platzen der Kreditblase 2008 wurde jedes Problem durch noch mehr Liquidität "gelöst". Diese Formel funktioniert nicht mehr. Völlig überraschend hat die EZB am Donnerstag den Einlagesatz nicht um 10 Basispunkte gesenkt. An den Börsen kam das gar nicht gut an, obgleich die Entscheidung nachvollziehbar ist - denn bereits jetzt sind die Negativeffekte der Minuszinsen unübersehbar.
In der kommenden Woche ist nun die US-Notenbank am Zug. Nachdem sie bereits in einer außerordentlichen Maßnahme den Leitzins um 50 Basispunkte gesenkt hat, wird nun im Konsens mit einer Senkung um weitere 50 Punkte gerechnet. Es könnten auch mehr werden, gefolgt von noch einer Senkung im April. Die Zinssenkungen kommen zu den Hunderten von Milliarden von Dollar, die die Fed bereits in den Geldmarkt gepumpt hat, um eine Kernschmelze wie nach Lehman Brothers zu vermeiden.
DAX-Gewinne dürften 2020 um bis zu 20 Prozent einbrechen
Die geldpolitischen Lockerungen werden zwar keine unmittelbare Wirkungen zeigen, machen aber eine Ausweitung der Wirtschaftskrise in eine Finanzkrise unwahrscheinlicher. Damit die Lage fundamental besser wird, muss erst ein Scheitelpunkt bei der Zahl der Coronavirus-Infizierten erreicht werden. Zunächst wird es aber schlimmer werden. Das am kommenden Dienstag anstehende ZEW-Konjunktbarometer dürfte im Februar nach Einschätzung der Commerzbank auf minus 35 von plus 8,7 Punkten spektakulär einbrechen.
Die Börsen sind nun dabei, eine weltweite Rezession einzupreisen. Die DZ Bank geht davon aus, dass die Gewinne der DAX-Unternehmen im laufenden Jahr zwischen 10 und 20 Prozent einbrechen werden. Mit Blick auf historische Muster würde dies nahelegen, dass der DAX in den kommenden Wochen in den Bereich zwischen 8.500 bis 8.000 zurückfallen wird. Wichtig: Der Buchwert der DAX liegt derzeit bei 8.100. Der Buchwert stellt zwar keine Garantie dar, ist aber eine wichtige fundamentale Marke für die Bewertung von Aktien.
Beste Kaufgelegenheiten in Jahrzehnten voraus
Die Charttechnik hilft aktuell nicht weiter. Seit dem Crash vom Hoch bei 13.795 wurden auch die wichtigsten Unterstützungen ohne Gegenwehr aufgegeben. Die nächste DAX-Unterstützung machen die Mußler-Briefe erst bei 8.890 Punkten aus, dem langfristigen Haussetrend seit 2003. Bei 8.700 Punkten verlaufe dann das markante 2016er-Korrekturtief. Sollte diese Unterstützungszone nicht halten, gehe es als nächstes dann schon um das ultimative Bollwerk an den großen Spitzen der Jahre 2000 und 2007 bei 8.136/8.151 Punkten.
Zum Abschluss ein paar aufmunternde Worte. Sollte sich die Ausbreitung des Coronavirus in den kommenden Wochen verlangsamen mit den steigenden Frühlingstemperaturen, könnten sich die Börsen schnell erholen. Die DZ Bank sieht den DAX zum Jahresende wieder bei 11.500 Punkten. Zuvor könnten sich aber einige der besten Kaufgelegenheiten für Anleger der vergangenen Jahrzehnte ergeben. Auf diese Situation sollten sich die Anlegr unbedingt vorbereiten, rät die DZ Bank. Recht hat sie.
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March 13, 2020 09:16 ET (13:16 GMT)
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