Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Das zentrale Gremium der deutschen Finanzbehörden hat eine Senkung der Anforderungen an Banken zum Aufbau von Kapitalpuffern angekündigt, um Folgen der Corona-Krise für den Finanzsektor abzufedern. Eine zuvor von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) beschlossene Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers der Banken, die diese eigentlich bis zum 1. Juli umsetzen sollten, wird damit wieder rückgängig gemacht.
"Angesichts des erwarteten Kreditbedarfs der Realwirtschaft beabsichtigt die Bafin, den antizyklischen Kapitalpuffer zum 1. April 2020 von 0,25 Prozent auf 0 Prozent zu senken", teilte der Ausschuss für Finanzstabilität mit, in dem Bundesfinanzministerium, Bundesbank und Bafin vertreten sind. "Mit dieser präventiven Maßnahme wird die Fähigkeit des deutschen Bankensektors gestärkt, Kredite zu vergeben. Der Puffer soll bis mindestens zum 31. Dezember 2020 auf dem Niveau von 0 Prozent verbleiben", erklärte der Ausschuss.
Das Gremium hatte der Bafin im Mai 2019 empfohlen, den inländischen antizyklischen Kapitalpuffer "ab dem dritten Quartal 2019 zu aktivieren und auf 0,25 Prozent anzuheben". Zuvor lag er bei 0 Prozent. Die Banken hätten die neue Vorgabe innerhalb von zwölf Monaten nach der Aktivierung der Bafin erfüllen müssen, die zum 1. Juli 2019 erfolgt war.
"Das deutsche Bankensystem insgesamt ist gut kapitalisiert", unterstrich Bafin-Chef Felix Hufeld bei einer telefonischen Pressekonferenz. Dies betreffe Kapital und Liquiditätsausstattung. Das sei auch das Ergebnis der in den vergangenen Jahren nach der Finanzkrise aufgebauten Kapitalpuffer. "Das unterstreicht die segensreiche Bedeutung solcher Puffer", sagte er. "Es handelt sich hier um eine präventive Maßnahme."
Keine Liquiditätsengpässe im Bankensystem
Es handele sich um eine von mehreren koordinierten Maßnahmen, erklärte Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies. "Wir haben gesehen, dass sich die Situation enorm dynamisch entwickelt, und dass wir eine hohe Unsicherheit an den Finanzmärkten sehen."
Der Ausschuss für Finanzstabilität - das zentrale Gremium der makroprudenziellen Überwachung in Deutschland - betonte in einer Mitteilung weiter, im deutschen Bankensystem zeigten "sich keine Liquiditätsengpässe". Im Zuge der regulatorischen Reformen in Folge der Finanzkrise seien in den vergangenen Jahren erhebliche Puffer aufgebaut worden, die in Situationen wie diesen genutzt werden könnten. Die aktuelle Situation der Realwirtschaft verdeutliche "die Bedeutung von Puffern im Finanzsystem, welche in Stressphasen aufgezehrt werden können".
Diese beabsichtigte Herabsetzung bette sich in die auf europäischer Ebene koordinierten fiskalischen, geldpolitischen und aufsichtlichen Maßnahmen ein, die darauf abzielten, "die Versorgung der Realwirtschaft mit Kapital und Liquidität sicherzustellen". Die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie seien "schwer abzuschätzen". Die an den Finanzmärkten in der vergangenen Woche zu beobachtenden Verluste stünden im Zusammenhang mit dieser Unsicherheit.
Durch die ergriffenen Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Virus sei in zahlreichen Wirtschaftsbereichen ein Rückgang der Nachfrage zu beobachten. Die von der Bundesregierung beschlossenen fiskalpolitischen Maßnahmen - etwa zur Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes und die unbegrenzte Liquiditätsversorgung der betroffenen Unternehmen - sorgten dafür, "dass Unternehmen ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen können".
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March 18, 2020 05:00 ET (09:00 GMT)
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