Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Länder des Euroraums werden ihre coronabedingten Anleiheemissionen nach Einschätzung vom Nordea so stark ausweiten müssen, dass die Differenzen zwischen den Staatsanleiherenditen (Spreads) des Euroraums trotz der Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) steigen werden. Anleihestratege Jan von Gerich geht deshalb davon aus, dass am Ende doch noch andere Instrumente wie etwa Corona-Bonds diskutiert werden müssen.
Von Gerich macht folgende Rechnung auf: Im November schätzte Nordea das Staatsanleihe-Emissionsvolumen für 2020 auf rund 800 Milliarden Euro. Wegen der Corona-Pandemie wurden bereits Maßnahmen im Volumen von 325 Milliarden Euro angekündigt. Hinzu kommen Ausgaben über so genannte automatische Stabilisatoren über 370 Milliarden Euro. "Die Bruttokreditnachfrage hat sich durch das Coronavirus also verdoppelt", konstatiert der Analyst.
Von Gerich beziffert die Kreditnachfrage auf 6 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Euroraums, was in etwa der während der Finanzkrise 2007 bis 2009 beobachteten Größenordnung entspräche - "nur dass die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen viel schneller abläuft als damals", wie er anmerkt. Außerdem nimmt der Analyst an, dass die von ihm genannten Zahlen noch nicht das volle Ausmaß der Belastungen der Bonität spiegeln, weil Kreditgarantien und andere Maßnahmen hinzukommen, die nicht von der Staatsschuldenquote erfasst werden.
"Das Pandemic Emergency Purchases Programme (PEPP) der EZB hat bei seiner Ankündigung vielleicht groß ausgesehen, aber gemessen am Emissionsbedarf der Länder ist es das nicht", schreibt von Gerich und gibt zu bedenken: "Es ist möglich, dass die EZB das Programm ausweiten muss, um die Märkte unter Kontrolle zu halten, aber angesichts der politischen Restriktionen ist es nicht realistisch, zu glauben, dass die EZB das gesamte zusätzliche Emissionsvolumen absorbieren wird."
Sein Fazit: "Die Spreads dürften trotz der Anleihekäufe der EZB steigen." Derzeit schienen die Regierungen nicht gewillt, neue Instrumente wie Corona-Bonds zu schaffen, während die EZB verhindern wolle, das gesamte Risiko alleine zu übernehmen. "Der wahre Test für den Euroraum komme erst dann, wenn die Anleihevolumina stark steigen", warnt von Gerich.
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April 02, 2020 04:28 ET (08:28 GMT)
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