
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verfolgt nach eigenen Angaben eine Strategie zur Stabilisierung der europäischen Staatsfinanzen in der Corona-Krise mit drei Instrumenten. "Mein Vorschlag ist, jetzt die vorhandenen Instrumente schnell und effektiv zu nutzen und eine gemeinsame europäische Antwort zu geben", sagte Scholz der Funke-Mediengruppe. Dabei denke er an drei konkrete Instrumente. So sollten Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, sich aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) "eine Summe zu leihen, die 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entspricht". Damit könnten sie ihre Staatsfinanzen stabilisieren, ohne hohe Aufschläge zahlen zu müssen. "Für Italien wären das etwa 39 Milliarden Euro."
Außerdem solle die Europäische Investitionsbank (EIB) in die Lage versetzt werden, nach dem Vorbild der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau "50 Milliarden Euro an Unternehmen zu verleihen, die das dringend benötigen". Darüber hinaus müssten die EU-Mitglieder dabei unterstützt werden, mit plötzlich wachsenden Arbeitslosenzahlen umzugehen. "Die EU-Kommission hat dazu gerade Vorschläge vorgelegt, die an meine Idee einer Arbeitslosen-Rückversicherung erinnern", sagte Scholz. Auch das helfe den Staaten, die Krise zu meistern. "Wenn wir diese drei Instrumente einsetzen, wäre das ein ganz starkes Signal der Solidarität in Europa im Kampf gegen das Corona-Virus."
Die Forderung Italiens und anderer EU-Staaten nach "Corona-Bonds" wies Scholz dem Blatt zufolge zurück. Es solle "keine unsinnigen Auflagen geben, wie das manchmal in der Vergangenheit der Fall war", betonte er. Die Frage, ob der Euro die Corona-Krise überstehe, beantwortete Scholz den Angaben zufolge mit einem klaren "Ja". Der Finanzminister bejahte auch die Nachfrage, ob alle Euro-Staaten die gemeinsame Währung behielten. "Aus der Finanzkrise und der Staatsschuldenkrise haben wir gelernt und die nötigen Entscheidungen getroffen, um den Euro stärker zu machen", sagte er.
Koalitionsfraktionen wollen keine Corona-Bonds
Unterdessen wurden Corona-Bonds auch in den Bundestagsfraktionen der großen Koalition klar abgelehnt. "In der Corona-Krise ist Solidarität in Europa Gebot der Stunde", betonte Unions-Fraktionsvize Andreas Jung (CDU). Die Unionsfraktion werbe "für einen Dreiklang der Solidarität" aus einer vorsorglichen Kreditlinie des ESM, einem Kreditgarantiefonds der EIB für kleine und mittlere Unternehmen und einem europäischen Programm für Kurzarbeitergeld.
Unions-Haushaltssprecher Eckhardt Rehberg (CDU) betonte, Corona-Bonds seien "mit den geltenden Verträgen nicht vereinbar" und würden "eine andere Architektur der Eurozone mit gegenseitiger Schuldenhaftung" bedeuten. "Corona-Bonds würden zu maximaler Rechtsunsicherheit und neuen Verwerfungen innerhalb der Eurozone führen. Die Unionsfraktion lehnt Corona-Bonds ab."
Der SPD-Finanzsprecher Lothar Binding unterstrich, die Befürworter solcher Bonds übersähen, "dass es sich um ein neues Instrument handeln würde, welches nicht schnell genug zur Verfügung stünde". Um schnell und effektiv helfen zu können, sollten bevorzugt vorhandene Wege beschritten werden. Die Finanzierungsbedingungen für Italien und andere EU-Mitgliedstaaten können am besten über vorsorgliche Kreditlinien des ESM und über Bürgschaften der EIB verbessert werden.
Am Dienstag wollen die europäischen Finanzminister in einer Videokonferenz über den richtigen Weg beraten, wie Europa den am meisten von der Corona-Krise betroffenen Ländern finanziell beistehen soll. Bis Ende der Woche sollen sie dazu den EU-Spitzen einen Vorschlag für ein gemeinschaftliches Vorgehen präsentieren. Die europäischen Finanzminister streiten aber noch über die Instrumente. Die Bitte Italiens, zur Bewältigung der Katastrophe gemeinsame Anleihen aufzulegen, ist bisher besonders bei der Bundesregierung, aber auch Ländern wie den Niederlanden und Finnland auf taube Ohren gestoßen. Sie lehnen eine Vergemeinschaftung von Schulden ab.
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April 03, 2020 12:25 ET (16:25 GMT)
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