BERLIN (Dow Jones)--Umweltschutzverbände haben den Druck auf die Bundesregierung erhöht, die Wirtschaft nach der Corona-Krise mit einem Konjunkturprogramm konsequent auf den Klimaschutz auszurichten. "Ohne Verzahnung der Programme zum Ankurbeln von Investitionen und Konsum mit den Klimazielen, drohen zahlreiche Investitionsentscheidungen, die über Jahrzehnte die Klimakrise weiter befeuern", erklärte der politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals, nach einer entsprechenden Andeutung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). "Das Klimakabinett ist der richtige Ort, in dem die Bundesregierung die Ausgestaltung künftiger Konjunkturpakete koordinieren sollte."
Auch für internationale Programme forderte Germanwatch Mittel. Dafür müssten zudem das Entwicklungsministerium und das Auswärtige Amt eingebunden sein.
Finanzminister Scholz hatte sich bereits am Wochenende offen für ein Konjunkturpaket ausgesprochen, das an den Klimazielen ausgerichtet sei. Wenn die akute Phase der Pandemie vorbei sei, "macht ein Konjunkturpaket Sinn, um die Wirtschaft anzukurbeln", sagte Scholz den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. "Wir wollen die technologische Modernisierung unseres Landes voranbringen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir 2050 klimaneutral wirtschaften können", sagte Scholz.
An diesen Zielen würden sich die Vorschläge für ein Konjunkturpaket orientieren. "Jetzt kommt es darauf an, dass wir nicht gegen die Krise ansparen", forderte er. "Daher halten wir das hohe Investitionsniveau aufrecht und sichern unseren starken Sozialstaat." Die Größenordnung des Konjunkturprogramms wollte er in dem Interview noch nicht beziffern.
Ende der vergangenen Woche hatte auch die Denkfabrik Agora Energiewende ein umfassendes Konjunkturprogramm gefordert. Dieses müsse mindestens 650 Milliarden Euro umfassen, rechnete Agora-Direktor Patrick Graichen am Freitag in einem Gastbeitrag bei Zeit Online vor. Wer jetzt argumentiere, man müsse erst mal der Wirtschaft auf die Beine helfen und um das Klima könne man sich danach kümmern, liege völlig falsch, schrieb er darin. "Das Gegenteil ist der Fall: Wir brauchen eine Doppelstrategie für Wachstum und Klimaschutz, um künftige Krisen besser zu überwinden oder noch besser zu vermeiden."
Davon fordert Agora 450 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren für die öffentliche Infrastruktur - und nimmt Bezug auf Rechnungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie und des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Zehn Milliarden Euro sollten als Investitionsförderung für Hoch- und Zementöfen und den Umstieg auf Wasserstoff in der Stahl-, Zement und Chemieindustrie bereitgestellt werden, so dass diese 2050 kein CO2 mehr ausstoßen, fordert Agora Energiewende. Zehn Milliarden seien für die energetische Gebäudesanierung nötig. Fünf Milliarden sollten über einen Eigenkapitalfonds an Stadtwerke für die lokale Energiewende gehen, weitere fünf Milliarden für den Austausch von Ölheizungen in Wärmepumpen. Schließlich müsse auch schnell die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) kommen, um den Ausbau von Wind- und Solarenergie anzuschieben.
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April 06, 2020 06:15 ET (10:15 GMT)
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