Eine große Herausforderung besteht für Anleger im Rohöl zurzeit darin, an extremen Punkten wie jetzt, die langfristig positiven Aussichten von den kurzfristigen Chancen und Risiken zu trennen.
Tatsächlich mache ich immer wieder die Beobachtung, dass es Anlegern immer sehr leicht fällt, der gegenwärtigen Medienstimmung und den pessimistischen Prognosen zu folgen, wenn der Markt bereits drei Viertel seiner Bewegung vollzogen hat. Das gilt für Bewegungen nach oben genauso wie nach unten.
Hier möchte ich ansetzen und soviel Licht wie möglich ins Dunkel bringen. Wie in jedem Markt, hilft es im Ölmarkt ungemein, die Emotionen beiseite zu lassen und sich auf die Fakten zu konzentrieren. Es gibt zurzeit einige unumstößliche Fakten, die kurzfristige Ölprognosen verdüstern, während sich langfristig gleichzeitig der Sonnenaufgang am Horizont ankündigt.
Der kurzfristige Effekt ist die Ölschwemme, über die ich rechtzeitig am 20. Februar informierte. Damals wurde die energische Abschottungsstrategie weltweit noch kaum thematisiert.
Wegen dem Coronavirus ertrinkt die Welt in einer Öl-Sintflut
Schätzungen zufolge werden zurzeit weltweit zwischen 15-20 Millionen Barrel täglich weniger Öl verbraucht. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im 2. Halbjahr 2008 haben die USA zum Beispiel nur 1,2 Millionen Barrel täglich weniger Öl verbraucht, was bereits den steilsten Rückgang seit 1979 markierte.
Es handelt sich heute mit Sicherheit um den schwersten Ölnachfrageschock, den die Welt in ihrer Historie jemals erlebt hat. Das ist einfach nachzuvollziehen, weil es noch niemals zuvor auch nur annähernd einen solchen Versuch gab, so viele Menschenleben zu schützen, unabhängig davon, was es kostet.
Die Konsequenz, die alle tragen, ist der Einbruch des kurzfristigen Konsums, einschließlich des "Bequemlichkeits- und Luxuskonsums", darunter Restaurants und Hotelbetriebe, nebst dem völligen Stillstand bei den langlebigen Güterinvestitionen. Es ist schwer hier eine Zahl zu definieren. Der Rückschlag dürfte zumindest in der westlichen Welt, die von drastischen Abschottungen am stärksten betroffen ist, locker bis zur Hälfte aller Ausgaben reichen, während wenigstens 20-30 Prozent des Transportvolumens unwiderbringlich wegfallen.
Gerade beim Öl gibt es, im Gegensatz zu den industriellen Rohstoffen, wenig Nachholeffekte, denn der kurzfristige Konsum oder geplatzte Reisen werden natürlich nie nachgeholt. Die OPEC muss also früher oder später reagieren, weil natürlich eine Welt, die schockartig weniger Öl verbraucht, nicht mit den langfristig berechneten Förderraten mithalten kann.
Diese Woche hoffen Anleger deshalb darauf, dass es zu einer richtungsweisenden Entscheidung der OPEC+ Staaten plus USA zu einer Art OPEC-Doppelplusabkommen kommt.
Verständigung der Ölförderländer wird zur Mammut-Aufgabe
US-Präsident Trump twitterte Ende letzter Woche etwas leichtfertig, dass die Saudis und Russen sich auf eine Förderkürzung von 10-15 Millionen Barrel pro Tag verständigen würden. Spitzbübisch nahm Trump seine eigene Verantwortung heraus, welche die USA als bisher bedeutendstes Nicht-OPEC Förderland tragen. Mit Sicherheit wären die USA auch der einzige mächtige Leitwolf, um alle westlichen Ölförderländer wie Kanada, Brasilien, Großbritannien sowie Norwegen ebenfalls zur Räson zu rufen.
Stattdessen beließ es Trump bei einer dummdreisten Drohgebärde, dass er im Falle einer Nichteinigung der OPEC+ Länder mit Importzöllen aufwarten würde. Die Logik Trumps oder seiner Berater liegt vermutlich darin, dass sie auf Druckaufbau hoffen, weil Russland, Saudi-Arabien und weitere OPEC-Staaten große Teile der Ölfördermenge direkt dem Staat unterstellt haben.
Wie bereits letztes Jahr im Handelskonflikt mit China zu sehen war, scheint die Zollpolitik Trumps liebstes Schwert zu sein, das aber mittlerweile auch so stumpf und abgeschlagen scheint, dass gewichtige Präsidenten aus Russland oder China längst nur müde lächeln, wenn Sie derart starken Tobak vernehmen.
Vielmehr besteht die Gefahr, dass die USA ihre weltweite Bedeutung als Hegemonialstaat verspielen, weil ihre Nettoölnachfrage für Russland oder Saudi-Arabien ohnehin kaum noch Absatzchancen bietet, solange die USA mit ihrem völlig ausufernden Kreditgeldsystem schwache Ölschieferproduzenten ...
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