BERLIN (Dow Jones)--In den Streit zwischen der Versicherungswirtschaft und zahlreichen Corona-Geschädigten in der Wirtschaft hat sich nun die Bundesregierung eingeschaltet. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat dazu ein Schreiben an den Präsidenten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Wolfgang Weiler, geschickt, wie ein Sprecher ihres Ressorts Dow Jones Newswires sagte. Sie habe sich "für eine zügige Regulierung solcher Schäden eingesetzt".
Hintergrund ist die Weigerung vieler Assekuranzen, für Betriebsschließungsversicherungen aufzukommen, die eine "Betriebsunterbrechung im Zusammenhang mit einer Infektionskrankheit" abdecken. Zahlreiche Gaststätten, Hotels und Händler, die solche Verträge abgeschlossen haben, drohen nun leer auszugehen. Ob das genannte Risiko versichert ist, müsse im Einzelfall geprüft werden, heißt es aus dem Justizministerium. "Wenn es versichert ist, muss die Versicherung eintreten." Das Ressort beobachte die Situation und das Verhalten der Versicherer "aufmerksam", so der Sprecher.
Der GDV äußerte sich zu dem Brief von Lambrecht nicht, erklärte aber, dass die Betriebsschließungsversicherung "im Regelfall" nicht greife. "Vor allem nicht, wenn die Betriebe - wie jetzt - aus generalpräventiven Gründen geschlossen wurden", erklärte GDV-Pressesprecher Christian Ponzel. "Sozialkontakte sollen minimiert werden. Dies ist in der gegenwärtigen Situation gut und richtig, es ist aber nicht der vereinbarte Versicherungsfall." Das heißt, die Schließung wegen eines Corona-Risikos wäre aus Sicht der Branche nur dann versichert, wenn das Coronavirus explizit im Versicherungsvertrag aufgelistet wurde.
Die Versicherungsmakler hatten deswegen vor zahlreichen Prozessen über mehrere Instanzen oder gar einer Gruppenklage gewarnt. Um das Image der Branche zu retten, schlug der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler daher vor, dass die Unternehmen einen Solidaritätsfonds über 200 Millionen Euro auflegen. Lambrechts Justizministerium lehnt diesen Vorstoß jedoch ab: "Eines gesonderten Corona-Fonds bedarf es in diesem Fall nicht." Auch der GDV sieht eine solche Fondslösung "kritisch. Sie wirft mehr Fragen auf, als dass Lösungen gegeben werden."
Die Versicherer verweisen stattdessen auf einen Kompromiss, den die Landesregierung Bayern Ende der vergangenen Woche mit beiden Seiten gefunden hat. Die gemeinsame Empfehlung sieht vor, dass die Versicherer zwischen 10 und 15 Prozent der bei Betriebsschließungen jeweils vereinbarten Tagessätze übernehmen und an die Gaststätten und Hotels auszahlen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nannte das Ergebnis "eine tragfähige und vernünftige Lösung für beide Branchen".
Auf Versicherungsseite unterstützen in einem ersten Schritt die Allianz, die Gothaer, die Haftpflichtkasse VVAG, die Nürnberger, die Signal-Iduna, die Versicherungskammer Bayern und die Zurich Gruppe Deutschland die Initiative. "Die Versicherer haben angekündigt, die Lösung bundesweit anzuwenden", erklärte GDV-Sprecher Ponzel. "Weitere Unternehmen wollen sich kurzfristig anschließen."
Am Montag erklärte der Bundesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) jedoch, über den Inhalt der bayerischen Initiative "nicht informiert" gewesen zu sein. "Konkret bedeutet dies, dass diese Vereinbarung zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine bundesweite Relevanz besitzt, erst recht kommt ihr keine präjudizierende Wirkung zu." Auch in Bayern habe diese Vereinbarung keine Allgemeinverbindlichkeit. So habe auch der Dehoga Bayern erklärt, "dass es lediglich eine zusätzliche Option in Bayern für bestimmte Betriebe ist".
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April 07, 2020 09:27 ET (13:27 GMT)
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