
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Autobranche droht angesichts der Corona-Krise in diesem Jahr ein einzigartiger Umsatz- und Gewinneinbruch. Die Kapitalausstattung der führenden Unternehmen ist laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) indes vergleichsweise gut.
Zum Jahresende 2019 verfügten die 17 größten Autokonzerne der Welt laut EY über liquide Mittel von 226 Milliarden Euro - knapp sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die höchste Liquidität wies Toyota mit knapp 31 Milliarden Euro aus, gefolgt von Volkswagen mit knapp 26 Milliarden Euro, bei Honda und Daimler waren es 20 bzw. 19 Milliarden Euro.
Während die Liquidität 2019 insgesamt stieg, ging es beim Gewinn kräftig abwärts: Der operative Gewinn der 17 analysierten Unternehmen schrumpfte um 13 Prozent bzw. 13 Milliarden Euro auf 85 Milliarden Euro, die operative Marge ging auf 4,9 Prozent zurück und erreichte damit den tiefsten Stand seit 2009.
Die Margen standen aber schon vor der Corona-Krise stark unter Druck, wie Peter Fuß, Partner bei EY, feststellte. Ursächlich waren vielfach hohe Investitionen in die Elektrifizierung und Digitalisierung, aber auch Sondereffekte wie Altlasten aus der Diesel-Krise. Entsprechend hatten viele Unternehmen bereits vor Ausbruch der Pandemie einen harten Sparkurs eingeschlagen, der auch Stellenabbau vorsah.
Auch nach der Lockerung der Beschränkungen werde die Wirtschaft lange brauchen, um das Vorkrisenniveau zu erreichen, sagte Constantin M. Gall, Leiter des Bereichs Automotive & Transportation bei EY. Denn eine deutlich gestiegene Arbeitslosigkeit, Unternehmensinsolvenzen und Einkommensverluste würden die Nachfrage dämpfen. Die Autoindustrie werde noch lange nach dem Neustart mit den Nachwirkungen der Krise kämpfen, und "vermutlich werden staatliche Anreize notwendig werden, um wieder Kunden in die Autohäuser zu locken".
Achillesferse Zulieferkette
Während die Stabilität der weltgrößten Autokonzerne nach Einschätzung von Fuß auch dank staatlicher Unterstützungsmaßnahmen vorläufig gesichert sein dürfte, bereitet die Situation der kleineren Marktteilnehmer zunehmend Sorgen: "Die weltweite Automobilindustrie ist ein hochkomplexes und stark internationalisiertes System mit vielen Playern - und längst nicht alle sind so finanzstark wie die Top-Konzerne." Dieses System lebensfähig zu halten, sei nun die größte Herausforderung.
Angesichts von Grenzschließungen und massiven wirtschaftlichen Verwerfungen etwa in Spanien und Italien sei dies eine Herkulesaufgabe, so Fuß: "Wenn in einigen Wochen die Produktion hoffentlich wieder anläuft, wird sich erweisen, ob die Lieferketten gehalten haben." Im schlimmsten Fall stünden die Automobilwerke wenige Tage nach dem Hochlaufen wieder still, weil essenzielle Teile fehlenz.
Sowohl bei Zulieferern wie bei Autohändlern fürchtet Gall eine Welle an Insolvenzen und eine Konsolidierung. "Die Corona-Pandemie wird ein Katalysator für eine Marktbereinigung in vielen Segmenten werden", sagte er.
Hoffnungsträger China
Nachdem in China zu Jahresbeginn die Autoproduktion und die Neuzulassungen massiv eingebrochen waren, gibt es inzwischen wieder vermehrt positive Signale aus dem Reich der Mitte. "Im Februar war China das Sorgenkind der Weltwirtschaft, jetzt entwickelt sich das Land zum Hoffnungsträger", sagt Gall. Gerade die deutschen Autokonzerne könnten von der derzeitigen Markterholung profitieren. Mehr als jedes dritte Fahrzeug aus der Produktion der deutschen Autokonzerne wurde im vergangenen Jahr in China verkauft. Im laufenden Jahr wird die Bedeutung Chinas für die deutsche Autobranche voraussichtlich noch weiter steigen, erwartet Gall. "Während in Europa und den USA der Neuwagenmarkt auf Monate am Boden sein wird, laufen in China die Produktion und der Neuwagenabsatz wieder an. Hier wird wieder Cash generiert."
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April 10, 2020 08:16 ET (12:16 GMT)
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