
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession der deutschen Wirtschaft hat sich aufgrund der Corona-Krise auf fast 80 Prozent mehr als verdoppelt, erklärte das Wirtschaftsforschungsinstitut IMK am Donnerstag. Für eine wirtschaftliche Erholung sei eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen nötig.
Für das Quartal von April bis Ende Juni sieht das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung aktuell ein Rezessionsrisiko von 78,1 Prozent nach 34,8 Prozent im März. Die Düsseldorfer Konjunkturforscher bündeln für ihren Indikator die aktuellsten verfügbaren Daten über die Wirtschaftslage für das aktuelle Quartal.
"Die deutsche Wirtschaft wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Frühjahrs- und im Sommerquartal schrumpfen", sagte Sebastian Dullien, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. "Wenn alles gut geht, könnte zum Jahresende eine wirtschaftliche Erholung einsetzen. Voraussetzung ist aber, dass es gelingt, ab Anfang Mai die Kontaktbeschränkungen ohne gravierende Rückfälle zu lockern."
Zudem sei es wichtig, die Kaufkraft der Beschäftigten so gut wie möglich mit staatlichen Mitteln zu sichern. "Wenn es wieder möglich ist, einigermaßen normal zu konsumieren, sollte der Staat mit einem Konjunkturprogramm unterstützen", so Dullien.
Die verdoppelte Rezessionswahrscheinlichkeit beruht nach Analyse des IMK in erster Linie darauf, dass sich in der akuten Krise die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen drastisch verschlechtert haben, dass die Aktienmärkte eingebrochen sind und sich Stimmungsindikatoren eingetrübt haben. Hinzu kommen die sinkende Zahl offener Stellen und ein weiterer Rückgang der Auftragseingänge aus dem Ausland.
Das IMK sieht den neuen Wert des Konjunkturindikators im Einklang mit der aktuellen Konjunkturprognose des Instituts, nach der die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 4 Prozent zurückgeht.
Auch der IMK-Finanzmarktstressindex, der einen breiten Kranz von Finanzmarktindikatoren bündelt, sei deutlich gestiegen, allerdings bislang weniger stark als in der Finanzmarktkrise vor über zehn Jahren.
Für IMK-Experte Thomas Theobald ist das ein kleiner Lichtblick. "Das lässt hoffen, dass die umfangreichen staatlichen Maßnahmen, etwa die Ausweitung der Kurzarbeit und die Liquiditätshilfen für Unternehmen, bei Finanzmarktteilnehmern ein gewisses Vertrauen auf eine absehbare Erholung der Absatzsituation erzeugen", so Theobald. "Die Bundesregierung hat national bisher viel richtig gemacht. Aber der Schock durch die Corona-Pandemie ist so groß und kam so plötzlich, dass die Wirtschaftspolitik ihn nicht vollständig ausgleichen kann."
Das IMK moniert zudem, dass es auf europäischer Ebene bisher an einem durchgreifenden Signal an die Finanzmärkte in der Form einer Einführung von Corona-Bonds fehle. Es sei weder solidarisch noch ökonomisch sinnvoll für eine rasche wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise, wenn sich Deutschland diesen gemeinsamen Anleihen verweigert.
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April 16, 2020 04:05 ET (08:05 GMT)
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