BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat weitere Hilfen auch für die Automobilindustrie nicht ausgeschlossen. Es gelte "ganz grundsätzlich", dass die Bundesregierung, "falls erforderlich...im weiteren Verlauf der Pandemie auch über weitere Maßnahmen beraten wird", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Allerdings könne er über die bereits aufgelegten Corona-Programme hinaus "keine weiteren Maßnahmen" ankündigen.
Hintergrund sind Forderungen der Automobilindustrie nach einer Abwrackprämie wie aus dem Jahr 2009, die den Absatzrückgang infolge der Finanzkrise abfedern sollte. Laut dem Handelsblatt fordern die Autohersteller einen Zuschuss von mehreren Tausend Euro pro Auto, um die Nachfrage spürbar anzukurbeln. Der Startschuss für die Prämie soll nach dem Wunsch der Autokonzerne noch vor der Sommerpause liegen. Volkswagen drängt auf eine schnelle Einführung. "In dieser Situation sollte eine Prämie breit angelegt sein und auch moderne Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor umfassen", sagte Volkswagen-COO Ralf Brandstätter der Zeitung.
Heil und Altmaier für konjunkturelle Maßnahmen
Der Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Eckehart Rotter, erklärte, es sei "klar, dass es beim Hochlauf der Produktion natürlich auch die Nachfrageseite braucht". Eine "Umweltprämie" sei dabei in der Diskussion. "Es ist aber zu früh, um Details zu sprechen." Von dritter Seite seien auch Vorschläge für eine Senkung der Mehrwertsteuer oder bessere Abschreibungsregeln unterbreitet worden, sagte Rotter. Der VDA-Sprecher betonte auch, dass die Autobauer Nachschärfungen bei den beschlossenen CO2-Grenzwerten weiterhin ablehnten. "Brüssel sollte nicht so tun, als ob wir kein Corona hätten."
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) antwortete auf die Frage nach einer möglichen Abwrackprämie dem ZDF-Morgenmagazin: "Es wird irgendwann auch nötig sein, durch konjunkturelle Maßnahmen die Wirtschaft anzukurbeln." Ähnlich äußerte sich zuvor auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der ein "Fitnessprogramm" für die Wirtschaft will.
Handelsblatt: Industrietreffen im Kanzleramt für 5. Mai geplant
Auch aus den Bundesländern kommen Forderungen nach weiteren Hilfen für die Autoindustrie. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) brachte bereits in der vergangenen Woche eine ökologische Abwrackprämie ins Gespräch. Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Armin Laschet (CDU) forderte im Handelsblatt "intelligente Impulse für Investitionen". Der Bewerber um den CDU-Bundesvorsitz will das Thema auch zur Chefsache machen: "Wir brauchen einen baldigen Autogipfel".
Nach Informationen des Handelsblatts sollen Details für die Hilfen am 5. Mai mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besprochen werden. Regierungssprecher Seibert erklärte auf Anfrage von Dow Jones Newswires, dass Termine der Kanzlerin jeweils in der Vorwoche zuvor bekanntgegeben würden. Auch bestätigte das Datum nicht.
Scharfe Kritik vom DIW und Umweltorganisationen
Die Umwelt-Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Claudia Kemfert, warnte jedoch vor einer Abwrackprämie. Damit seien bereits in der Finanzkrise Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren gefördert worden. "Heute müssen wir die Suppe auslöffeln, die wir uns damals eingebrockt haben", sagte Kemfert dem Webportal Watson. "Wir verfehlen die Klimaziele und müssen uns in den Städten mit Feinstaub- und Stickoxidproblemen herumschlagen." Diese Fehler dürften sich nicht wiederholen.
Auch die Umweltorganisation Greenpeace übte scharfe Kritik an dem Vorschlag. "Wer heute mit Hilfe von Steuermilliarden mehr Diesel und Benziner verkauft, wird morgen weniger Elektroautos absetzen", erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Das könne sich weder die deutsche Autoindustrie noch der Klimaschutz leisten. "Deutschland braucht keine weitere Abwrackprämie, die veraltete Antriebe und Geschäftsmodelle am Leben halten will, sondern eine Aufbauprämie für saubere Mobilitätslösungen."
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April 20, 2020 08:00 ET (12:00 GMT)
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