Von Petra Sorge und Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem heutigen EU-Gipfel Gemeinschaftsanleihen erneut abgelehnt, aber höhere deutsche Beiträge zum EU-Haushalt zur Bekämpfung der Corona-Krise in Aussicht gestellt. "Ein europäisches Konjunkturprogramm könnte in den nächsten zwei Jahren den nötigen Aufschwung unterstützen", sagte Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag.
Am Nachmittag werden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen, wie den wirtschaftlich besonders hart getroffenen südeuropäischen Ländern finanzielle Hilfen zukommen kann. Merkel betonte, man werde weder über die Details noch den Umfang eines möglichen Wiederaufbauprogramms bereits entscheiden. "Doch eines ist schon klar", so die Kanzlerin. "Wir sollten bereit sein, im Geiste der Solidarität für einen begrenzten Zeitraum hinweg ganz andere, das heißt deutlich höhere Beiträge zum europäischen Haushalt zu leisten."
Italien fordert Corona-Bonds, bei denen die Eurozone-Mitgliedsstaaten gemeinschaftlichen für die Schulden der Eurozone haften. Merkel lehnte die Forderung erneut klar ab. Selbst wenn es den politischen Willen zu gemeinsamer Verschuldung gebe, sagte die CDU-Politikerin, müssten in der Folge die EU-Verträge geändert werden. "Dann müssten alle nationalen Parlamente in der Europäischen Union und auch der Deutsche Bundestag entscheiden, ...dass ein Teil des Budgetrechts auf die europäische Ebene übertragen und dort kontrolliert würde." Dies wäre "ein zeitraubender und schwieriger Prozess" und in der jetzigen Lage nicht hilfreich. "Es geht jetzt darum, schnell zu helfen", so Merkel.
Die Bundesregierung will stattdessen die Hilfen über einen Kredite über den Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und aus Mitteln des EU-Haushalts. Bislang haben sich die Euro-Finanzminister auf ein 500-Milliarden-Euro Hilfspaket verständigt, bei dem Kredite aus dem ESM und der Europäischen Investitionsbank vergeben werden. Auch soll zum ersten Mal ein europäisches Kurzarbeitergeld bereitgestellt werden, dass über Anleihen und den EU-Haushalt finanziert werden soll. Merkel rief nun den Bundestag auf, hier schnell zu entscheiden, damit das bereits beschlossene Geld zum 1. Juni auch fließen könne.
Allerdings wird das nicht ausreichen. Merkel daher eine stärkere Zusammenarbeit in der EU. Ein solches Konjunkturprogramm müsse "zusammen mit dem gemeinsamen europäischen Haushalt gedacht werden". Dazu müsse sich der Europäische Rat schon bald "mit grundsätzlichen Fragen" befassen, von höheren Kompetenzen für die Union über strategische Fähigkeiten, Fragen der Digitalisierung oder des Klimaschutzes.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte im ZDF-Morgenmagazin, solidarisches Handeln werde "auch eine stärkere politische Union in Europa mit sich bringen". Es könne dann nicht weiter Steuerdumping geben. Deswegen müssten etwa Einnahmen aus der Besteuerung von Finanztransaktionen oder Erlöse aus dem Emissionshandel im Luft- oder Schiffsverkehr genutzt werden, "um eine starke Finanzierungsbasis für den europäischen Haushalt zu schaffen". Der Vizekanzler betonte, die Finanzierung des Wiederaufbaufonds über den EU-Haushalt sei "der beste Weg, den man wählen kann und auch einer, der sich mit den Verträgen Europas im Einklang steht".
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April 23, 2020 04:15 ET (08:15 GMT)
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