FRANKFURT (Dow Jones)--Im Vorfeld der ersten virtuellen Bayer-Hauptversammlung üben Aktionärsvertreter Kritik an der Konzernführung in Leverkusen. Ingo Speich von Deka Investment beklagte, bei der Lösung der Rechtsfragen sei "zu wenig geschehen", auch wenn die Vergleichsverhandlungen und die bessere Kommunikation zu begrüßen seien. Eine Nichtentlastung wie im Vorjahr muss der Vorstand allerdings nicht fürchten.
"Die Rechtsrisiken haben nicht ab-, sondern sogar noch zugenommen", heißt es in einer Erklärung, die Speich einen Tag vor dem Aktionärstreffen verbreitete. Bei der reinen Online-Veranstaltung wird es keinerlei Redebeiträge von Aktionären geben. Nur vorab eingereichte Fragen von Aktionären wird der Vorstand beantworten.
Die Monsanto-Akquisition habe "zu einer gigantischen Wertvernichtung geführt, die Bayer massiv geschwächt hat", so Speich. "Einzig die Ungewissheit über die offenen Rechtsverfahren wirkt aktuell noch als Schutzschirm vor feindlichen Angriffen."
Speich monierte, dass es angesichts der Glyphosat-Klagewelle an Kapital für die Pharmaforschung fehle. Für zentrale Arzneien rückten die Patentausläufe "bedrohlich nah" heran. Beim Blockbuster Xarelto, dem mit Abstand umsatzstärksten Mittel von Bayer, endet der Patentschutz bereits in diesem Jahr in China und Kanada, für Europa läuft er noch bis 2023.
Kritik kam auch von Union Investment, dem Fondsanbieter der Volks- und Raiffeisenbanken. Dessen Vertreter Janne Werning kritisierte, dass Bayer nicht vorab die Reden von Vorstandschef Werner Baumann und Aufsichtsrat Werner Wenning veröffentlicht habe. So sei die Chance auf einen öffentlichen Dialog inklusive Rückfragen verpasst worden.
Union Investment will angesichts der nach wie vor unklaren Vergleichssumme im Glyphosat-Rechtsstreit gegen die Zahlung einer Dividende stimmen. Werning macht sich Sorgen, dass mit dem Unkrautvernichter Dicamba ein neues Rechtsrisiko für Bayer entstehen könnte. Ein Pfirsich-Bauer hatte hier zu Jahresbeginn eine teure Schadensersatzklage gewonnen.
Deka Investment und Union Investment wollen Vorstand und Aufsichtsrat entlasten. 2019 hatten die Aktionäre nur den Mitgliedern des Kontrollgremiums die Entlastung gewährt, dem Vorstand um Werner Baumann wegen des Umgangs mit den Rechtsrisiken aber mehrheitlich das Misstrauen ausgesprochen. Daraufhin hatte Baumann die Gangart geändert und unter anderem ein Mediationsverfahren gestartet und den Umgang des Vorstands mit den Rechtsrisiken bei Monsanto noch einmal extern überprüfen lassen.
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April 27, 2020 05:26 ET (09:26 GMT)
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