
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen Vorschlag für eine europäische Finanzstransaktionssteuer überarbeitet - dafür aber umgehend Kritik von den deutschen Banken und der Opposition geerntet. Scholz wolle nun anderen Regierungen ermöglichen, ihre bereits eingeführten nationalen Steuern beizubehalten, berichtete das Handelsblatt unter Verweis auf einen überarbeiteten Gesetzentwurf, den der Bundesfinanzminister an Kollegen aus anderen EU-Ländern verschickt habe.
Die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Dachverbände von Banken und Sparkassen, erklärte, der Richtlinienentwurf sei ergänzt worden, sodass alle Staaten, die bereits eine Steuer auf Finanzinstrumente erheben, den neuen Vorschlag unterstützen und dabei aber ihre nationale Regelung weiterführen könnten. Sie müssten eine verabschiedete Regelung danach nicht umsetzen. Auch sei es diesen Staaten möglich, über die vereinbarte Regelung, beispielsweise durch Besteuerung weiterer Finanzinstrumente, hinauszugehen.
"Dadurch droht in Europa ein Flickenteppich von ganz verschiedenen inhaltlich nicht abgestimmten Regelungen, der einer Kapitalmarktunion schadet", warnten die kreditwirtschaftlichen Verbände. Die Finanztransaktionssteuer sei ohnehin, auch in der reduzierten Form einer reinen "Aktiensteuer", ein Alibiprojekt, das mehr Schaden als Nutzen anrichte. "Unternehmen und Sparer sollten gerade mit Blick auf die Coronakrise von bürokratischen Lasten befreit werden und der Zugang zu Kapitalmärkten in Europa erleichtert werden", betonte die Kreditwirtschaft. Die Transaktionssteuer aber bewirke genau das Gegenteil.
Auch die politische Opposition in Berlin übte Kritik. "Die Verzweiflung von Bundesfinanzminister Scholz muss groß sein, wenn er die Finanztransaktionssteuer nun mit einer Übergangsklausel für nationale Lösungen retten will", erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Bettina Stark-Watzinger. Scholz gehe es offenbar nur noch darum, "auf Teufel komm raus eine neue Einnahmequelle aufzutun, damit Wahlgeschenke der SPD bezahlt werden können". Die Union sei gefordert, diese Steuer endlich zu stoppen.
Insgesamt verhandeln zehn EU-Staaten seit 2011 über die Einführung des Projekts im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit - neben Deutschland noch Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Spanien. Österreich hat aber mit einem Verlassen der Verhandlungen gedroht, weil der von Scholz vorangetriebene Plan Derivate außen vor lässt. Nach diesem sollen die Käufer von Aktien großer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Milliarde Euro eine Steuer von 0,2 Prozent des Geschäftswertes zahlen. Das ist aber auch innerhalb der Regierungskoalition umstritten.
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April 30, 2020 10:52 ET (14:52 GMT)
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