
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Wirtschaftsrat der CDU hat die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geplante Finanztransaktionssteuer abgelehnt und Scholz wegen seiner erneut diskutierten Pläne hart kritisiert. "Es ist schockierend, dass ein Bundesfinanzminister in der schwersten Wirtschaftskrise seit 75 Jahren eine neue Steuer einführen will", erklärte der Generalsekretär des Unternehmerverbands, Wolfgang Steiger. Stattdessen seien die Unternehmen auf steuerliche Entlastungen angewiesen. "Der Bundesfinanzminister verkennt die steuerpolitischen Prioritäten", kritisierte Steiger.
Der neue Richtlinienentwurf zu einer europäischen Finanztransaktionssteuer weise "keine bahnbrechenden Änderungen" auf. Auch weiterhin würden nur Aktienverkäufe besteuert, auch weiterhin nur die Anteilsscheine von Großunternehmen, und auch weiterhin sei der spekulative Derivatehandel ausgenommen. "Wir lehnen den Entwurf deshalb auch weiterhin ab", sagte Steiger. Das politische Ziel, den Derivatehandel, der die Finanzkrise wesentlich verschärft habe, stärker zu besteuern, werde damit deutlich verfehlt.
Stattdessen würden vor allem Privatanleger belastet, die ihre Altersvorsorge in Aktien großer Unternehmen anlegen. Neu an dem Entwurf sei, dass Mitgliedsstaaten, die bereits eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben, diese unverändert weiter erheben sollen. Steiger warnte in diesem Zusammenhang vor einem "Flickenteppich" in Europa bei der Besteuerung der Kapitalmärkte. "Der Bundesfinanzminister muss sich endlich eingestehen, dass die EU-Mitgliedstaaten seinem Projekt ablehnend gegenüberstehen", mahnte Steiger. Er forderte Scholz auf, "sich auf die akuten Probleme deutscher Unternehmen gerade in der jetzigen Corona-Krise zu konzentrieren".
Scholz hatte seinen Vorschlag für eine europäische Finanzstransaktionssteuer nach Berichten Ende vergangener Woche überarbeitet, dafür aber umgehend Kritik von den deutschen Banken und der Opposition geerntet. Scholz will demnach nun anderen Regierungen ermöglichen, ihre bereits eingeführten nationalen Steuern beizubehalten.
Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), der Zusammenschluss der Dachverbände von Banken und Sparkassen, kritisierte, auch sei es diesen Staaten möglich, über die vereinbarte Regelung, beispielsweise durch Besteuerung weiterer Finanzinstrumente, hinauszugehen. "Dadurch droht in Europa ein Flickenteppich von ganz verschiedenen inhaltlich nicht abgestimmten Regelungen, der einer Kapitalmarktunion schadet", so die DK.
Insgesamt verhandeln zehn EU-Staaten seit 2011 über die Einführung des Projekts im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit. Österreich hat aber mit einem Verlassen der Verhandlungen gedroht, weil der von Scholz vorangetriebene Plan Derivate außen vor lässt. Nach dem Entwurf sollen die Käufer von Aktien großer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Milliarde Euro eine Steuer von 0,2 Prozent des Geschäftswertes zahlen. Dies ist aber auch innerhalb der deutschen Regierungskoalition umstritten.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/apo
(END) Dow Jones Newswires
May 04, 2020 07:35 ET (11:35 GMT)
Copyright (c) 2020 Dow Jones & Company, Inc.