BERLIN (Dow Jones)--Die Energieminister der Länder haben angesichts des schleppenden Ökostromausbaus den Druck auf die Bundesregierung massiv erhöht. "Die Energiewende kann ein wichtiger Wachstumsmotor zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden", erklärte Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Dienstag nach einer Schalte der Energieministerkonferenz, dessen Vorsitzender er ist. "Damit das gelingt, brauchen wir jetzt starke Anreize für weitreichende Investitionen in erneuerbare Energien, intelligente Stromnetze und Wasserstoffinfrastrukturen."
Die Minister und Senatoren forderten von der Bundesregierung, ihre bereits im September im Rahmen des Klimapakets getroffenen Zusagen einzuhalten. Dies sei die dringend notwendige Streichung des Förderdeckels bei der Photovoltaik, dessen 52-Gigawatt-Obergrenze bald erreicht ist, und "die Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes noch vor der Sommerpause", so Pinkwart. Die Vorhaben verzögerten sich teils wegen des koalitionären Streits um die Windabstandsregeln oder um die Rolle der Pkw bei der Wasserstoffstrategie, teils wegen der Corona-Krise.
Älteres Papier schlug 2 Cent für die EEG-Umlage vor
Auch bei einem anderen Punkt fordert Pinkwart mehr Tempo: Es brauche nun "eine deutliche Entlastung der Stromverbraucher", beispielsweise durch die Senkung von Stromsteuern und der Umlage nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Wie hoch diese sein könnte, teilte sein hier federführendes Ministerium nicht mit. In einem auf den 2. Mai datierten Positionspapier, in das Dow Jones Newswires Einblick hatte, war von einer Stabilisierung der Umlage auf circa 2 Cent die Rede. Laut Baden-Württembergs Umweltministerium sei dieses Papier jedoch "definitiv nicht" das endgültig beschlossene.
Hintergrund der Bedenken aus den Ländern ist auch die Corona-Krise, die die Nachfrage nach Energie weltweit zum Einbruch gebracht hat. Wegen der Rekord-Tiefpreise bei Öl, Gas und an den EU-Strombörsen sei die Wirtschaftlichkeit für Energieeffizienz-Maßnahmen "nur noch selten gegeben", so das Zwischen-Papier. Zudem werde ausgerechnet die Ökostromumlage zum 1. Januar 2021 sehr stark steigen, "da die Schere zwischen Börsenstrompreis und gesetzlich zugesagter Vergütung für die Anlagenbetreiber aufgrund des drastischen Nachfragerückgangs im Strombereich auseinandergeht". Damit würden trotz der aktuell niedrigen Börsenstrompreise Wirtschaft und Privathaushalte nicht profitieren. "Dadurch könnten viele der von Bund und Ländern eingeleiteten Maßnahmen zum Klimaschutz zurückgeworfen werden."
Lies fordert Ende beim "Herumstochern im Finanzierungssumpf der Stromsysteme"
In dem vorläufigen Papier hatte die Runde auch "ein mutiges, nachhaltiges und umfassendes Energiewende-Konjunkturprogramm" gefordert. Zudem brauche es eine Neuordnung der Förder- und Vergütungssysteme. Notwendig sei eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, "um Vorschläge für ein nachhaltiges System zur Finanzierung der Energiewende zu entwickeln". Im Anschluss an die Konferenz sagte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies ähnlich wie das Papier, es müsse "Schluss sein mit dem Herumstochern im Finanzierungssumpf der Stromsysteme - der Bund muss endlich eine klare und zukunftsfähige Struktur aufbauen".
Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) erklärte, es sei nun "an der Bundesregierung, nicht nur darauf zu reagieren, sondern die Weichen mutig und zügig zu stellen, damit die Menschen und die Natur auch davon profitieren".
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verwies auf die Erfolge beim Netzausbau. 2019 seien inzwischen rund die Hälfte aller Hochspannungsleitungen in Betrieb gewesen, ein weiteres Drittel im Bau. Bis Jahresende sollen knapp 90 Prozent der Stromautobahnen "in Bau oder in Betrieb sein", so Altmaier. "Wir dürfen aber nicht nachlassen."
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May 05, 2020 06:29 ET (10:29 GMT)
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