Mainz (ots) -
Bitte aktualisierten Programmtext beachten!!
Sonntag, 31. Mai 2020, 17.55 Uhr
ZDF.reportage
Robben, Schnaps und keine Gäste
Helgoland in der Krise
Film von Torsten Mehltretter
Der rote Felsen im Meer - im Sommer ist Helgoland ein echter
Urlaubermagnet. Doch seit Corona herrscht auf der Insel ungewohnte
Ruhe.
Denn in der Hochsaison fertigen die gut 1500 Helgoländer
normalerweise bis zu 4000 Tages- und 2000 Übernachtungsgäste ab.
Jetzt aber dürfen die Gäste nicht mehr kommen - wegen der
Corona-Beschränkungen.
Eigentlich erledigt Sven Köhn spätestens ab April drei Jobs parallel.
Er bringt mit seinem Börteboot die Tagesgäste von den
Ausflugsschiffen an Land, versorgt als Hummerfischer einige
Restaurants der Insel mit den Schalentieren, und er steuert die
kleine Fähre, die Nachbarinsel und Hauptinsel verbindet. "Damit wir
die ganzen Urlauber und Tagestouristen bewältigen können, muss jeder
hier ein bisschen mehr machen - sonst funktioniert das Ganze nicht",
erklärt er.
Zollfreier Einkauf lockt die Tagesgäste schon seit Jahrzehnten im
großen Stil auf die Insel, die einzigartige Natur zieht die
Übernachtungsgäste an. Doch jetzt während der Corona-Pandemie liegt
alles auf Eis. Und das, obwohl kein einziger Bewohner Helgolands die
Krankheit bisher hatte. Doch weil im Falle eines Falles die
Versorgung von COVID-19-Patienten auf der Insel nicht im nötigen
Umfang möglich wäre und die kleine Klinik auf der Insel schnell an
ihre Grenzen käme, gelten Sonderbeschränkungen für Helgoland und
viele andere Inseln Deutschlands. Auch ein weitreichendes
Anreiseverbot gehört dazu. Weder Tagesgäste noch Langzeiturlauber
oder Zweitwohnungsbesitzer dürfen auf die Insel. Der Corona-Lockdown
trifft die Insel hart.
Heiko Ederleh ist der Transportprofi auf der Insel. Noch hat er seine
Mitarbeiter nicht in Kurzarbeit geschickt. Auf drei zusätzliche
Saisonkräfte aber wird er in diesem Jahr wohl verzichten müssen. Der
Transportprofi hat sonst alle Hände voll zu tun, um Nahrungsmittel,
Post, neue Möbel, die Waren der zahlreichen Duty-Free-Shops oder die
Gepäckstücke der Urlauber von den Schiffen auf der ganzen Insel zu
verteilen. Seine Lieferungen halten die Insel am Laufen. Doch statt
der täglichen fünf Schiffe kommt jetzt nur noch eins - und das auch
nur noch zweimal die Woche. Mit Waren, die den Eigenverbrauch der
Helgoländer abdecken. Die hat Heiko schnell verteilt - meist ohne
Hilfe. Sein Glück: Auch die Windkraftbranche nimmt seine Dienste in
Anspruch. Und die drei Betreiber von unterschiedlichen Windparks
dürfen in der Krise weiterarbeiten. Jetzt halten sie Heiko über
Wasser.
Ganz gelassen nimmt Rangerin Ute Pausch die neue Situation. "Für die
Natur ist das eine Atempause." Aber auch ohne Corona ist Helgoland
ein Naturparadies, findet die 49-Jährige, die vor allem wegen der
einzigartigen Tierwelt auf die Insel kam. Pausch sorgt dafür, dass
sich die zwei Robben-Arten, die an den Stränden der Insel leben, und
die Menschen nicht ins Gehege kommen. Auch wenn das ab April, wenn
die Gästezahlen steigen, eigentlich unmöglich ist. Im Frühling 2020
aber können die Kegelrobben ihren Nachwuchs ungestört großziehen. Sie
sind die Profiteure der ungewohnten Ruhe.
Für die meisten menschlichen Inselbewohner ist die Pause dagegen
existenzbedrohend. Deswegen hat eine Wirtschaftsinitiative der Insel
eine Lockerung der Insel-Isolierung gefordert. Man sei bereit,
"vieles auf der Insel umzustrukturieren und neue Hygienevorschriften
und Abstandsregelungen zu akzeptieren", heißt es in dem Schreiben,
das die Verfasser sowohl an die schleswig-holsteinische
Landesregierung als auch an die Bundesregierung geschickt haben. Denn
vielen steht das Wasser längst bis zum Hals.
So wie Sven, der auch noch Gästezimmer vermietet. In einem Haus, das
er über einen Kredit finanziert. Doch da er sowohl seine Vermietungen
als auch die Hummerfischerei nur im Nebenberuf ausübt, stehen ihm
dafür keine Hilfsgelder zu. Aber der Kredit läuft weiter. Und Hummer
nehmen ihm die Helgoländer auch nicht ab. Die leisten sich in erster
Linie gut betuchte Übernachtungsgäste - als Urlaubsschmankerl.
Die Reportage verdeutlicht, wie sehr die auf Tagesgäste und Urlauber
eingespielten Inselbewohner unter der auferlegten Ruhephase leiden
und wie existenzbedrohend die Schutzmaßnahmen für eine ganze Gemeinde
sein können. Denn hier können die Einwohner nichts machen außer
abwarten. Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
Telefon: +49-6131-70-12121
Original-Content von: ZDF, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/7840/4599724
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ZDF.reportage
Robben, Schnaps und keine Gäste
Helgoland in der Krise
Film von Torsten Mehltretter
Der rote Felsen im Meer - im Sommer ist Helgoland ein echter
Urlaubermagnet. Doch seit Corona herrscht auf der Insel ungewohnte
Ruhe.
Denn in der Hochsaison fertigen die gut 1500 Helgoländer
normalerweise bis zu 4000 Tages- und 2000 Übernachtungsgäste ab.
Jetzt aber dürfen die Gäste nicht mehr kommen - wegen der
Corona-Beschränkungen.
Eigentlich erledigt Sven Köhn spätestens ab April drei Jobs parallel.
Er bringt mit seinem Börteboot die Tagesgäste von den
Ausflugsschiffen an Land, versorgt als Hummerfischer einige
Restaurants der Insel mit den Schalentieren, und er steuert die
kleine Fähre, die Nachbarinsel und Hauptinsel verbindet. "Damit wir
die ganzen Urlauber und Tagestouristen bewältigen können, muss jeder
hier ein bisschen mehr machen - sonst funktioniert das Ganze nicht",
erklärt er.
Zollfreier Einkauf lockt die Tagesgäste schon seit Jahrzehnten im
großen Stil auf die Insel, die einzigartige Natur zieht die
Übernachtungsgäste an. Doch jetzt während der Corona-Pandemie liegt
alles auf Eis. Und das, obwohl kein einziger Bewohner Helgolands die
Krankheit bisher hatte. Doch weil im Falle eines Falles die
Versorgung von COVID-19-Patienten auf der Insel nicht im nötigen
Umfang möglich wäre und die kleine Klinik auf der Insel schnell an
ihre Grenzen käme, gelten Sonderbeschränkungen für Helgoland und
viele andere Inseln Deutschlands. Auch ein weitreichendes
Anreiseverbot gehört dazu. Weder Tagesgäste noch Langzeiturlauber
oder Zweitwohnungsbesitzer dürfen auf die Insel. Der Corona-Lockdown
trifft die Insel hart.
Heiko Ederleh ist der Transportprofi auf der Insel. Noch hat er seine
Mitarbeiter nicht in Kurzarbeit geschickt. Auf drei zusätzliche
Saisonkräfte aber wird er in diesem Jahr wohl verzichten müssen. Der
Transportprofi hat sonst alle Hände voll zu tun, um Nahrungsmittel,
Post, neue Möbel, die Waren der zahlreichen Duty-Free-Shops oder die
Gepäckstücke der Urlauber von den Schiffen auf der ganzen Insel zu
verteilen. Seine Lieferungen halten die Insel am Laufen. Doch statt
der täglichen fünf Schiffe kommt jetzt nur noch eins - und das auch
nur noch zweimal die Woche. Mit Waren, die den Eigenverbrauch der
Helgoländer abdecken. Die hat Heiko schnell verteilt - meist ohne
Hilfe. Sein Glück: Auch die Windkraftbranche nimmt seine Dienste in
Anspruch. Und die drei Betreiber von unterschiedlichen Windparks
dürfen in der Krise weiterarbeiten. Jetzt halten sie Heiko über
Wasser.
Ganz gelassen nimmt Rangerin Ute Pausch die neue Situation. "Für die
Natur ist das eine Atempause." Aber auch ohne Corona ist Helgoland
ein Naturparadies, findet die 49-Jährige, die vor allem wegen der
einzigartigen Tierwelt auf die Insel kam. Pausch sorgt dafür, dass
sich die zwei Robben-Arten, die an den Stränden der Insel leben, und
die Menschen nicht ins Gehege kommen. Auch wenn das ab April, wenn
die Gästezahlen steigen, eigentlich unmöglich ist. Im Frühling 2020
aber können die Kegelrobben ihren Nachwuchs ungestört großziehen. Sie
sind die Profiteure der ungewohnten Ruhe.
Für die meisten menschlichen Inselbewohner ist die Pause dagegen
existenzbedrohend. Deswegen hat eine Wirtschaftsinitiative der Insel
eine Lockerung der Insel-Isolierung gefordert. Man sei bereit,
"vieles auf der Insel umzustrukturieren und neue Hygienevorschriften
und Abstandsregelungen zu akzeptieren", heißt es in dem Schreiben,
das die Verfasser sowohl an die schleswig-holsteinische
Landesregierung als auch an die Bundesregierung geschickt haben. Denn
vielen steht das Wasser längst bis zum Hals.
So wie Sven, der auch noch Gästezimmer vermietet. In einem Haus, das
er über einen Kredit finanziert. Doch da er sowohl seine Vermietungen
als auch die Hummerfischerei nur im Nebenberuf ausübt, stehen ihm
dafür keine Hilfsgelder zu. Aber der Kredit läuft weiter. Und Hummer
nehmen ihm die Helgoländer auch nicht ab. Die leisten sich in erster
Linie gut betuchte Übernachtungsgäste - als Urlaubsschmankerl.
Die Reportage verdeutlicht, wie sehr die auf Tagesgäste und Urlauber
eingespielten Inselbewohner unter der auferlegten Ruhephase leiden
und wie existenzbedrohend die Schutzmaßnahmen für eine ganze Gemeinde
sein können. Denn hier können die Einwohner nichts machen außer
abwarten. Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
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