BERLIN (Dow Jones)--Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will angesichts der Missstände und Corona-Fälle in Schlachtbetrieben den Arbeitsschutz deutlich verschärfen. Es sei Zeit, in der Branche "aufzuräumen und durchzugreifen", sagte Heil in Berlin. "Wir müssen auch als Bund Verantwortung übernehmen." Seine Vorschläge seien in der Videokonferenz des sogenannten Corona-Kabinetts zwar noch nicht beraten worden, "weil der Koalitionspartner noch Gesprächsbedarf hat". Der SPD-Politiker gehe aber davon aus, dass bis zur regulären Kabinettssitzung am Mittwoch Beschlüsse gefasst werden.
Heil sieht "strukturelle Probleme" in Schlachtbetrieben, die es auch vor der Corona-Pandemie bereits gegeben habe. Diese seien durch die jüngste Novelle im Bereich der Fleischverarbeitung 2017 nicht behoben worden. "Wir haben dann erlebt, dass die Regeln ausgetrickst wurden und an einigen Stellen nicht weit genug waren."
Der Arbeitsminister nannte als Problempunkte die Überbelegung in Unterkünften samt "Wucherbedingungen" bei der Vermietung, Verstöße gegen Hygiene- und Abstandsregeln, gegen den Mindestlohn und das Arbeitszeitgesetz sowie "dubiose Vertragsstrukturen mit Sub- und Sub-Subunternehmen". Hier werde Verantwortung zulasten der Beschäftigten und der Gesellschaft abgewälzt.
Den Ruf nach schärferen Kontrollen hatte es trotz des erwähnten Gesprächsbedarfs auch in Teilen der Union gegeben. So forderte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), Bußgelder bei Arbeitszeitverstößen von bislang maximal 15.000 Euro auf künftig 30.000 Euro zu erhöhen. Heil erklärte, er unterstütze den Vorschlag und tausche sich eng mit Laumann aus.
Nach Angaben des Verbands der Fleischwirtschaft (VDF) waren 140 der 13.476 amtlich angeordneten Corona-Tests bei Mitarbeitern von Schlachthöfen positiv. Dabei gab es in zwei Betrieben je 33 und 92 Covid-19-Fälle. Der VDF lehnt eine komplette Änderung des Werkvertragswesens für eine einzelne Branche ab. Am Wochenende hatte der Verband der Bunderegierung auch einen Fünf-Punkte-Plan zur bundeseinheitlichen und branchenunabhängigen Umsetzung von Maßnahmen bei der Beschäftigung von Werkvertragsarbeitnehmern vorgelegt.
Unterdessen protestierten Umweltschützer nahe des Kanzleramts gegen die Zustände in deutschen Schlachtbetrieben. "Die Regierung muss das Problem viel größer angehen", forderte der Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Dirk Zimmermann. "Das ganze System Billigfleisch krankt. Es funktioniert nur auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt." Die Aktivisten fordern neben besseren Arbeitsbedingungen auch strengere Auflagen sowie schärfere Kontrollen bei Haltung, Transport und Schlachtung.
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May 18, 2020 06:45 ET (10:45 GMT)
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