BERLIN (Dow Jones)--Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will nach Ablauf dieser Legislaturperiode 2021 ganz aus der Politik aussteigen. Nach der nächsten Bundestagswahl beginne für ihn ein "totales Kontrastprogramm zu dem, was ich seit 50 Jahren mache", sagte Seehofer dem Spiegel. "Ich bin dann ein unpolitischer Mensch. Sie werden mich in keinem Aufsichtsrat finden. Sie werden mich mit der aktuellen Politik nicht locken können, auch wenn sie mich vielleicht noch so ärgert." Die Bundestagswahl im kommenden Jahr wird für Spätsommer oder Herbst erwartet. Das Bundesinnenministerium oder Seehofer waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Seehofer lobte die Krisenpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) während der Covid-19-Pandemie: "Das war genau die richtige Strategie." Auf Deutschland komme jetzt noch eine "lange, lange Arbeitsstrecke" zu, um die Corona-Krise zu überwinden. "Und da brauchen wir die Kanzlerin." Das Land sei bisher gut durch die Krise gekommen. "Dies alles führt bei mir zu der Zuversicht, dass wir das Virus weiter zurückdrängen und vielleicht sogar überwinden können." Über sein Zerwürfnis mit Merkel bei der Migrationsfrage vor zwei Jahren will sich Seehofer derzeit nicht äußern. "Die Virologen haben einen schönen Satz: In der Krise schaut man nicht zurück", sagte er. Er werde über das Thema aber "vielleicht später einmal viel schreiben".
Allerdings übte er scharfe Kritik an der EU-Kommission unter -Leitung von Präsidentin Ursula von der Leyen. Er habe "große Hoffnungen" gehabt, sei aber heute enttäuscht. Vor allem in der Migrationspolitik fühle sich der CSU-Politiker sich im Stich gelassen. Auch beim jüngsten Vorstoß eines europäischen -Investitionsprogramms sei nicht Brüssel der Motor gewesen, sondern Berlin und Paris.
Wenig Verständnis zeigte er auch für von der Leyens Ankündigung eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland. Hintergrund ist die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den milliardenschweren Staatsanleihenkäufen der EZB. "Mir ist aufgefallen, dass die EU ungewöhnlich häufig gegen ihre Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren und Klagen erhebt", sagte Seehofer. "Gegen Österreich wegen einer Kindergeldregelung, gegen Polen und Ungarn sowieso, jetzt gegen Deutschland wegen des Verfassungsgerichtsurteils. Ich frage mich: Wie soll so ein Zusammenwachsen in Europa befördert werden?"
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May 22, 2020 06:00 ET (10:00 GMT)
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