
BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung will die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu einem Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft machen. "Wir haben da wirklich die Chance, international zum Vorreiter für nachhaltige Digitalisierung zu werden", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. Noch in diesem Jahr sollen die Mitgliedsstaaten eine erste Positionierung erstellen, um der EU-Kommission "ein ganz klares Mandat" zu erteilen.
Schulze betonte, die Themen European Green Deal und Digitalisierung würden in Brüssel "noch nicht konsequent" zusammengedacht. Im Juli will sie mit den EU-Umweltministern virtuelle Vorgespräche führen. Es gehe um die Fragen, wie die Digitalisierung besser für den Umweltschutz in Europa genutzt und wie digitale Infrastrukturen umweltfreundlicher gestaltet werden könnten.
Für Deutschland plant die SPD-Politikerin mehrere Schritte, um Web-Angebote nachhaltiger zu gestalten. Online-Händler müssten dafür auch mehr Verantwortung übernehmen. Bei der anstehenden Novelle des Elektrik- und Elektronikgesetzes etwa sollen Plattformbetreiber stärker in die Pflicht genommen werden, damit illegal angebotene Geräte aus dem Handel verschwinden.
Schulze fordert bessere Kennzeichnung von Nachhaltigkeit in Online-Shops
Schulze beklagte, dass derzeit auch "verlässliche, praktische Informationen über die Nachhaltigkeit bei Produkten in Online-Shops" fehlten. Das Ziel sei es, Label für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sichtbarer zu machen. "Dazu werden wir jetzt in den Austausch mit Suchmaschinenbetreibern, Onlineshops und Vergleichsportalen treten." So soll auch das Zertifikat "Blauer Engel" für Rechenzentren nutzbar gemacht werden. In einem ersten Schritt baut das Umweltbundesamt ein eigenes Register für Rechenzentren auf.
Schulze verwies zudem auf eine Umfrage der Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) und des Wuppertal Instituts, wonach Menschen mehr online shoppen wollten. Demnach sagen 25 Prozent der Befragten, dass sie langlebige Konsumgüter eher online kaufen wollen, erklärte EY-Partner Thomas Losse-Müller. Hier müsse der lokale Einzelhandel stärker unterstützt werden, forderte Schulze.
EY-Studie: Home Office könnte Personenverkehr um acht Prozent senken
Laut der Studie, die die Folgen der Corona-Pandemie auf Umwelt und Digitalisierung untersucht hat, arbeitete ein Viertel aller Arbeitnehmer zeitweise im Home Office, 60 Prozent weiter an ihrem Arbeitsort und 15 Prozent waren in Kurzarbeit. Insbesondere Videokonferenzen (plus 120 Prozent) und Online-Gaming (plus 30 Prozent) stiegen an. Nach Ansicht der Studienautoren könnte der gesamte Personenverkehr künftig um bis zu acht Prozent reduziert werden, wenn möglichst zeitnah Home-Office und das virtuelle Arbeitsleben gefördert würden. Auf Nachfrage räumten die Autoren allerdings auch ein, dass der Autoverkehr inzwischen wieder auf dem Niveau vor der Corona-Krise gestiegen sei, obwohl immer noch viele Menschen von zu Hause arbeiteten.
Schulze erklärte, sich gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil stärker für ein Recht auf Home Office einzusetzen. Sie betonte, dass Union und SPD bereits im Konjunkturprogramm bessere Abschreibungsbedingungen für den Aufbau digitaler Infrastruktur in Aussicht gestellt hätten. Der Posten ist mit einer Milliarde Euro beziffert.
Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com
DJG/pso/mgo
(END) Dow Jones Newswires
June 11, 2020 05:33 ET (09:33 GMT)
Copyright (c) 2020 Dow Jones & Company, Inc.