Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland rangiert trotz des jahrelangen wirtschaftlichen Booms bei den Arbeitskosten für die private Wirtschaft aktuell weiterhin lediglich im oberen Mittelfeld Westeuropas, im Jahr 2019 auf Position sechs im EU-Vergleich. Das geht aus einer neuen Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zur Entwicklung von Arbeitnehmerentgelten, Arbeits- und Lohnstückkosten hervor.
Der durchschnittliche jährliche Anstieg der Lohnstückkosten in Deutschland lag demnach nach 2010 bei 1,9 Prozent, im gesamten Zeitraum zwischen 2000 und 2019 haben die Lohnstückkosten allerdings nur um 1,2 Prozent im Jahresmittel zugenommen - spürbar langsamer als im Durchschnitt des Euroraums (1,4 Prozent) und weitaus weniger als mit dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von knapp 2 Prozent vereinbar.
Im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten sei der gerade durch die Corona-Krise jäh beendete Aufschwung durch die breitere Fundierung nach Analyse des IMK sehr stabil gewesen, mit Rekordständen bei der Beschäftigung und sprudelnden Steuereinnahmen. International sei die deutsche Wirtschaft sehr konkurrenzfähig, was sich auch am immensen und nur langsam sinkenden Leistungsbilanzüberschuss von 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2019 ablesen lasse, so das IMK. Damit bestünden gute Voraussetzungen, um zu verkraften, dass durch die weitverbreitete Kurzarbeit die Arbeitskosten zeitweilig stärker anwüchsen.
"Vor dem Hintergrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung und der stärkeren Bedeutung der binnenwirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre ist Deutschland gut gerüstet, diese Krise zu meistern. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der im letzten Jahrzehnt eingeschlagene Weg fortgesetzt wird", schrieben die Autoren der Studie. "Es wäre verheerend für die zukünftige Entwicklung, wenn mit einer nicht gerechtfertigten Bezugnahme auf eine scheinbare Gefährdung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit und dem Appell des Maßhaltens der Weg in die Austerität und in dauerhaft schwaches Lohnwachstum gewählt würde."
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June 17, 2020 04:12 ET (08:12 GMT)
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