Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sieht in Deutschland und Großbritannien ein hohes Insolvenzrisiko im Zuge des Corona-Shutdowns. Eine Pleitewelle könnte die wirtschaftliche Erholung bedrohen, warnte das Institut in einer am Mittwoch vorgestellten Studie.
"Der Shutdown zur Eindämmung des Coronavirus erhöht die Wahrscheinlichkeit von Unternehmensinsolvenzen in erheblichem Ausmaß, weil den Unternehmen Umsätze wegbrechen und viele Kostenblöcke aber weiteranzeigen", erklärte Oliver Holtemöller, einer der Autoren einer IWH-Studie zum Insolvenzrisiko.
Zwar würden die Insolvenzen wegen staatlicher Hilfen und den in Deutschland ausgesetzten Insolvenzantragspflicht nicht sofort eintreten. Aber "das volle Ausmaß der krisenbedingten Insolvenzen wird erst mit der Zeit sichtbar werden. Damit gehen große ökonomische Risiken einher", so die Studie. "Eine Insolvenzwelle würde die wirtschaftliche Erholung bedrohen. Sie kann zu einem erneuten wirtschaftlichen Einbruch führen, nachdem die Lockerung der Shutdown-Maßnahmen zunächst zu einem Aufholprozess geführt hat."
Das Institut mahnte daher die Politik, dass sie dieses Risiko bei der Gestaltung der weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie berücksichtigt.
Zinsausgaben nicht mehr aus Gewinn zu decken
Die Untersuchung anhand von Jahresabschlussdaten der Jahr 2014 bis 2018 zeigte, dass in Deutschland 81 Prozent der Unternehmen nach einem Verlust von einem Zwölftel des Jahresumsatzes ihre Zinsausgaben nicht mehr aus dem laufenden Gewinn vor Zinsen und Steuern decken kön-nen; in Großbritannien sind es 73 Prozent.
Die Studie zeige, dass wenn der Shutdown etwa drei Monate dauert, dann könnten "fast alle Unternehmen in den betroffenen Wirtschaftsbereichen ihre Zinsausgaben nicht mehr aus dem Gewinn decken und viele Unternehmen auch aus nicht direkt betroffenen Branchen werden in finanzielle Schieflagen geraten", so die Autoren Holtemöller und Yaz Gulnur Muradoglu von der Queen Mary University of London.
Ob die Unternehmen dann tatsächlich in Konkurs gingen, hinge von den Reserven der Unternehmen und den staatlichen Hilfen habe. Insbesondere werden die Unternehmen bei den Lohnausgaben und Sozialversicherungskosten entlastet, in Deutschland etwa durch die erweiterten Regeln beim Kurzarbeitergeld.
"Dies lindert die Probleme ein wenig, ändert aber nicht viel an der Gesamtlage", so die Autoren. "Selbst wenn den Unternehmen während der gesamten Dauer des Shutdowns die kompletten Lohnkosten ersetzt werden, steigt das Insolvenzrisiko, gemessen anhand des Verhältnisses von Zinsausgaben und EBIT, auf 71 Prozent in Deutschland und auf 61 Prozent in Großbritannien."
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June 17, 2020 09:59 ET (13:59 GMT)
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