FRANKFURT (Dow Jones)--Der Skandal um die verschwundenen Milliardenbeträge von Wirecard auf Konten in Asien hat einen neuen Höhrepunkt erreicht. Der Bezahldienstleister räumte nach weiteren Prüfungen nun ein, dass die bisher zugunsten von Wirecard dort ausgewiesenen Bankguthaben von 1,9 Milliarden Euro "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht bestehen. Aus diesem Grund zog der DAX-Konzern auch seinen bislang nur vorläufig vorgelegten Jahresabschluss für 2019 zurück.
Wirecard ging bisher davon aus, dass diese Treuhandkonten im Zusammenhang mit dem Drittpartnergeschäft bestehen und hatte sie entsprechend in der Rechnungslegung als Aktivposten ausgewiesen. Nun teilte das Unternehmen aber mit, es müsse "die Verlässlichkeit der Treuhandbeziehungen in Frage stellen". Es müsse nun auch geklärt werden, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang das Drittpartnergeschäft "tatsächlich zugunsten der Gesellschaft geführt wurde".
Neben dem Jahresabschluss 2019 nahm Wirecard auch den Erstquartalsbericht und die Jahresprognose für 2020 zurück. Auch die "Vision 2025" zu Transaktionsvolumen, Umsatz und EBITDA gilt nicht mehr. Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden.
Wirecard steht den weiteren Angaben zufolge weiterhin in konstruktiven Gesprächen mit seinen kreditgebenden Banken über die Fortführung der Kreditlinien und der weiteren Geschäftsbeziehung. Gemeinsam mit der Investmentbank Houlihan Lokey prüft die Gesellschaft Möglichkeiten für eine nachhaltige Finanzierungsstrategie des Unternehmens.
Darüber hinaus prüft Wirecard eine Reihe weiterer Maßnahmen, um eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs zu gewährleisten, einschließlich Kostensenkungen sowie Umstrukturierungen, Veräußerung oder Einstellungen von Unternehmensteilen und Produktsegmenten.
Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hatten Wirecard am Donnerstag vergangener Woche das Testat für den Jahresabschluss 2019 verweigert, weil Belege für die Treuhandgelder fehlten. Die Prüfer sahen Hinweise auf Bilanztäuschung. Hinzu kam am Freitag, dass die beiden philippinischen Banken mitteilten, nichts von dem fraglichen Geld zu wissen. Belege bezeichneten sie als gefälscht.
Am Donnerstag brach die Aktie bereits um mehr als 60 Prozent ein. Der Kurssturz setzte sich am Freitag fort. Der schon länger in der Kritik stehende Vorstandschef Markus Braun warf ebenfalls am Freitag das Handtuch.
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June 22, 2020 00:28 ET (04:28 GMT)
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