BERLIN (Dow Jones)--Aus Sicht der Startup-Branche hinkt Deutschland bei Mitarbeiterbeteiligungen im internationalen Vergleich weit hinterher. 49 Prozent der Befragten bezeichnen die Rahmenbedingungen in Deutschland als deutlich schlechter als im EU-Ausland, wie aus einer Online-Umfrage des Bundesverbands Deutsche Startups und der Boston Consulting Group unter knapp 1.900 Teilnehmern hervorgeht. Nur 3 Prozent bezeichnen die Situation in Deutschland als besser.
Die schlechten Rahmenbedingungen "erschweren eine erfolgreiche Weiterentwicklung des deutschen Startup-Ökosystems und damit der gesamten deutschen Wirtschaft", sagte der zuständige Experte von BCG Digital Ventures, Stefan Groß-Selbeck. Mehr als ein Drittel der Mitarbeiter erwägen laut der Studie bereits den Wechsel in ein etabliertes Unternehmen, ein Viertel jenen in ein Startup im Ausland. Dabei sind solche Programme für 84 Prozent der Befragten essentiell für den Erfolg von Startups. Häufig bleibt das Geld laut der Studie sogar im Ökosystem: 38 Prozent haben die Erlöse aus früheren Mitarbeiterbeteiligungen entweder für die Gründung eigener oder für Investitionen in bestehende Startups genutzt.
Derzeit bieten nur 58 Prozent aller deutschen Gründer ihren Mitarbeitern solche Programme an. Knapp drei Viertel von ihnen setzen zudem nicht auf echte Unternehmensanteile oder Anteilsoptionen, sondern nur auf virtuelle. Diese seien nur entstanden, da echte Anteile in Deutschland rechtlich komplex und sehr bürokratisch seien. Bei dieser Beteiligungsform verpflichten sich Unternehmen, einen Teil des Erlöses in einen virtuellen Topf zu geben, der als tatsächliche Zahlung bei Fälligkeit an die Beschäftigten ausgezahlt wird. Dies sei jedoch eine rein privatrechtliche Vereinbarung ohne Berührungspunkte mit dem Gesellschaftsrecht. Virtuelle Anteile werden daher im internationalen Vergleich kaum als gleichwertig und transparent wahrgenommen.
Die Studie fordert daher, eine eigene Anteilsklasse im GmbH-Recht zu schaffen. Mitarbeiteranteile müssten kostengünstig, schnell, einfach und digital ausgegeben und übertragen werden können. Wichtig seien auch angemessene Informations- und Beteiligungsrechte. Auch das Steuerrecht müsse reformiert werden: Mitarbeiter sollten nach internationalem Vorbild erst dann Steuern zahlen, wenn ihnen tatsächlich liquide Mittel aus den Anteilen zufließen. Zudem sollten Reinvestitionen in das Startup-Ökosystem steuerfrei bleiben und die Bewertungsverfahren für Startups günstiger werden. Denn viele Mitarbeiter fürchteten wegen unvorhersehbarer Bewertungen hohe Steuerforderungen.
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June 22, 2020 03:44 ET (07:44 GMT)
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