Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hält Anleihekäufe nach Aussage ihres Chefvolkswirts Philip Lane im aktuellen Umfeld für ein wirksameres Instrument als Zinssenkungen. In einem Webinar der Initiative Frankfurt Main Finance sagte Lane laut veröffentlichtem Redetext: "Langfristige Staatsanleiherenditen reagieren in Stresszeiten praktisch überhaupt nicht auf Zinssenkungen, weil der Portfoliokanal nicht richtig funktioniert, wie sich bei der Ausbreitung der Pandemie vor dem Start des Pandemiekaufprogramms PEPP gezeigt hat."
Geldpolitische Maßnahmen wie Zinssenkungen, die auf den risikofreien Zins zielten, seien gegenwärtig weniger wirksam als unter stressfreien Bedingungen, während Maßnahmen, die direkt auf die Staatsanleiherenditen zielten, wirksamer seien, weil sie die relevanten Renditeaufschläge in diesem Marktsegment reduzierten.
"Wir sind zwar auch künftig zu weiteren Zinssenkungen für den Fall bereit, dass sich die Marktbedingungen normalisieren und der Inflationsausblick es erforderlich macht, aber diese Tatsachen lassen Asset-Käufe unter den gegenwärtigen Umständen doch als das wirksamere Instrument erscheinen", sagte Lane.
Der EZB-Chefvolkswirt warnte in seinen Ausführungen außerdem davor, die aktuellen positiven Überraschungen bei Konjunkturdaten überzubewerten. "Das Ausmaß der Kontraktion war so stark, dass die Aktivität deutlich unterhalb des Vorkrisenniveaus bleiben wird", sagte Lane. Die Stärke der anfänglichen Gegenbewegung in diesen Wochen sei nicht unbedingt ein guter Indikator die Geschwindigkeit und Robustheit des Aufschwungs.
Laut Lane dürfte es besonders kompliziert werden, speziell aus den in den Sommermonaten anstehenden Finanz- und Konjunkturdaten Signale über die mittelfristige Entwicklung von Wachstum und Inflation herauszufiltern.
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June 24, 2020 03:41 ET (07:41 GMT)
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