Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung sieht im Vorgang beim Bezahldienstleister Wirecard einen "besorgniserregenden Fall", dem Konsequenzen in der Regulierung folgen müssen. "Unternehmen und Finanzmärkte müssen zuverlässig und ordnungsgemäß arbeiten", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert auf der Regierungspressekonferenz. Jetzt sei es Aufgabe der Staatsanwaltschaft München zu klären, ob Marktmissbrauch und Bilanzbetrug vorlägen.
"Natürlich muss es darum gehen, Schaden vom Finanzplatz Deutschland insgesamt abzuwenden", so Seibert. "Deshalb müssen Schwächen bei Kontrollmechanismen, wo sie sich herausstellen, auch behoben werden."
Wirecard hat wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenz angemeldet. Am Montag hatte Wirecard einräumen müssen, dass Bankguthaben bei zwei philippinischen Banken in Höhe von mehr als 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nicht existieren. Die Finanzmarktaufsicht BaFin hatte jüngst ihren Verdacht auf Marktmanipulation durch eine falsche Darstellung der Verhältnisse bei Wirecard bei der Staatsanwaltschaft München zur Anzeige gebracht.
Das Bundeswirtschaftsministerium betonte am Freitag, eine schnelle und umfassende Aufklärung sei nötig. "Natürlich sehen wir hier auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Verantwortung, die müssen natürlich Fehler in Bilanzen frühzeitig erkennen, wenn was schiefgelaufen ist auch tatkräftig dazu beitragen, das aufzuarbeiten", so Sprecherin Anna Sohpie Eichler.
Auf die Frage, ob Wirtschaftsprüfer stärker beaufsichtigt werden sollten, sagte Eichler, es gebe die unabhängige Abschlussprüferaufsichtsstelle, die APAS, die nach Vorgaben der Europäischen Union eingerichtet sei. Das Wirtschaftsministerium habe keine Fachaufsicht, sondern übe lediglich Rechtsaufsicht aus. "Jetzt aus Anlass des konkreten Falls ist es wichtig, den erst mal aufzuarbeiten und zu gucken, was tatsächlich schiefgelaufen ist. Und dann kann man weiter sehen", so Eichler.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am Donnerstagabend nach dem Bilanzskandal bei Wirecard Konsequenzen in der Finanzaufsicht angekündigt. "Sollten nämlich rechtliche, gesetzgeberische, regulatorische Maßnahmen und Vorgaben nötig seien, werden wir sie entsprechend ergreifen und auch umsetzten", so Scholz. "Die BaFin muss künftig in der Lage sein, Sonderprüfungen möglichst kurzfristig, schnell und effizient durchführen zu können."
Eine Sprecherin des Finanzministeriums wollte sich am Freitag nicht zu möglichen Fehlern ihres Hauses in dem Fall Wirecard äußern und verwies auf die Aussagen des Finanzministers, der von der BaFin Taten bei der Aufklärung erwartet.
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June 26, 2020 06:51 ET (10:51 GMT)
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