Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die SPD-Bundestagsfraktion will mit China trotz aller Differenzen im Dialog bleiben. Allerdings drängt sie Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu, gegenüber China ein realistischeres Bild zu haben, in dem China nicht nur als Partner, sondern auch als Wettbewerber und Systemrivale gesehen wird.
Die SPD-Fraktion verabschiedete am Dienstag ein Positionspapier zu China, in dem die SPD sich für ein gemeinsames europäisches Auftreten gegenüber China stark macht, bei dem auch kontroverse Themen zur Sprache kommen. Wichtig sei, Europa unabhängiger zu machen von China.
"China ist auch wichtiger Handelspartner und Absatzmarkt, gleichzeitig aber auch ein knallharter ökonomischer Wettbewerber: Im Wettbewerb um Märkte und Spitzentechnologie muss Europa seine Hausaufgaben machen. Wir stellen uns gegen Chinas teils aggressive und oft staatlich gesteuerte Investitionspolitik zum Aufkauf von Spitzentechnologien", erklärte Gabriela Heinrich, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.
Wichtig sei aber auch, dass eine "neue Bipolarität" zwischen den USA und China nicht im deutschen Interesse sei. "Stattdessen plädieren wir für einen pragmatischen und zukunftsgerichteten Zugang: Deutschland zusammen mit den EU-Partnern sollte mit China als Partner zusammenarbeiten, der aber auch Wettbewerber und in grundsätzlichen Bereichen sogar Systemrivale ist", so Heinrich.
SPD bekräftigt kritische Haltung zu Huawei
In ihrem Papier bleibt die SPD bei ihrer kritischen Haltung zur Beteiligung des chinesischen Netzwerkausbauers Huawei am deutschen Ausbau des neuen Internetstandards 5G. Zwar wird das Unternehmen nicht direkt genannt, die Sozialdemokraten betonen aber, dass Deutschland und die EU bei kritischen Technologien und Dienstleistungen ihre Abhängigkeit vom Ausland reduzieren müsse.
"Sie müssen die Fähigkeiten zum souveränen Betrieb und Schutz der kritischen digitalen Infrastruktur ausbauen; dies gilt insbesondere für die Einführung des 5G-Mobilfunknetzes und des superschnellen Internets der neuen Generation", heißt es in dem Papier.
Innerhalb der Bundesregierung gibt es noch Meinungsunterschiede zur Beteiligung Huaweis am 5G-Ausbau. Merkel und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen Huawei nicht von vornherein vom Netzausbau ausschließen. Aber innerhalb der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion sind die Vorbehalte deutlich größer. Sie wollen die Einflussnahme von fremden Staaten auf die deutsche 5G-Infrastruktur verbieten. Sorge bereitet ihnen, dass der chinesische Telekommunikationskonzern gesetzlich dazu verpflichtet sei, Daten an die chinesische Regierung zu übermitteln.
"Neben der laufenden technischen Überprüfung von Sicherheitsaspekten sind auch politische Genehmigungsvorbehalte durch politisch legitimierte Organe wichtig", heißt es in dem SPD-Positionspapier. Die Fraktion forderte, dass dazu im IT-Sicherheitsgesetz und im Telekommunikationsgesetz (TKG) die notwendigen Regelungen getroffen werden. "Europäische Unternehmen und staatliche Einrichtungen waren bereits häufig Opfer von Wirtschaftsspionage und Cyberkriminalität, deren Spuren in die Volksrepublik China führen", heißt es warnend in dem Papier.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, betonte, dass der Bundestag hier nicht locker lassen werde. "Wir warten jetzt auf den Kabinettsbeschluss und vertrauen darauf, dass diese Regierung die Anregungen berücksichtigt, sonst macht es das Parlament selber" erklärte Schmid.
Fairness im Handel angemahnt
Auch fordert die SPD in ihrem Papier Deutschland und die EU dazu auf, die Asymmetrien in den Handelsbeziehungen zu China aufzulösen. "Wir sehen China als Handelspartner. Dabei spielen die Regeln der Fairness und positiven Reziprozität für uns Sozialdemokrat_innen eine sehr wichtige Rolle", heißt es in dem Papier. "Wir dulden es nicht, wenn durch Maßnahmen oder negative, reziproke Handlungen demokratische Konzepte im Hintergrund verschwinden."
Daher sollte man weiter das Ziel verfolgen, China vollständig in das regelbasierte Welthandelssystem zu integrieren und bei der Fortschreibung internationaler Handelsregeln im Rahmen der Reform der Welthandelsorganisation WTO einzubeziehen.
Um die Verhandlungsposition der EU gegenüber China zu stärken, sollten die Wettbewerbsbedingungen durch europäische Instrumente wie das Wettbewerbsrecht und den Rahmen für staatliche Beihilfen angeglichen werden, so die SPD-Fraktion.
China wurde zudem aufgefordert, die seit 2013 laufenden Verhandlungen über ein umfassendes Investitionsabkommen mit der EU zügig abzuschließen. Eigentlich war eine Unterzeichnung bei dem EU-Chinagipfel im September in Leipzig vorgesehen. Dieser wurde aber offiziell wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die SPD pocht darauf, dass auch chinesische Unternehmen - ebenso wie europäische - verpflichtet werden sollten, international vereinbarte Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in ihren transnationalen Wertschöpfungsketten einzuhalten.
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June 30, 2020 10:00 ET (14:00 GMT)
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