DJ 9 Aktien, die im 1. Halbjahr mit kräftigen Gewinnen durch die Krise kamen
FRANKFURT (Dow Jones)--Ein selten schwieriges erstes Halbjahr hat die Corona-Pandemie den Anlegern an den Aktienmärkten beschert. Lag der DAX im Februar noch auf einem Allzeithoch von fast 13.800 Punkten, folgte im Zuge der sich ausweitenden Corona-Pandemie und der weltweiten Lockdowns der fast freie Fall auf ein Tief von 8.255 Mitte März. Zum Ende des ersten Halbjahr hat sich der Index derweil wieder auf gut 12.000 Punkte berappelt, weil viele der Lockdown-Maßnahmen inzwischen wieder aufgehoben wurden und die Anleger auf eine rasche Erholung aus dem Tief setzen.
Wer angesichts dieser massiven Schwankungen zum richtigen Zeitpunkt einstieg, konnte hohe Gewinne einfahren. Zwei der Unternehmen, die aktienkursmäßig gestärkt durch die Krise kamen, gelten nun sogar als potenzielle Kandidaten für den DAX.
Von den hohen Umsätzen an den Aktienmärkten während der Corona-Krise profitierten unter anderen die Börsenbetreiber wie beispielsweise die Deutsche Börse sowie andere Finanzdienstleister rund um die Börse. Zudem entpuppten sich Aktien von Unternehmen als Gewinner, die langfristig von strukturellem Wandel profitieren dürften, wie er in einigen Bereichen nun als Folge des Corona-Schocks erwartet wird. So hat sich der Trend zum Online-Shopping durch den Lockdown verstärkt und das Arbeiten im Homeoffice dürfte das Arbeits- wie Konsumverhalten in den kommenden Jahren beeinflussen.
Nachfolgend eine kleine Auswahl von Aktien, die im ersten Halbjahr von den coronabedingten Verwerfungen profitierten und eine deutlich positive Kursentwicklung einfuhren:
Hellofresh - Zuhause Kochen ohne einzukaufen
Vor zwei Jahren habe ich erstmals bei Hellofresh Essen nach Hause bestellt. Vollends überzeugt war ich seinerzeit nicht und auch der Verpackungsmüll hielt mich davon ab, mir weiter die Kochboxen nach Hause liefern zu lassen. Nun seit Wochen im Homeoffice mit selbst auferlegter Isolation ohne den spontanen Gang in den Supermarkt oder zum Discounter, erinnerte ich mich an Hellofresh. Kleinigkeiten gibt es wohl immer, an denen es etwas zu mäkeln gibt, aber alles in allem bietet der Kochboxen-Versender eine der wenigen Alternativen, wenn man nicht einkaufen gehen kann oder will. Denn der Besuch in einem Restaurant war ja ebenfalls nicht möglich.
Auch künftig dürfte mehr zu Hause gekocht werden, sei es, weil mehr Menschen zuhause arbeiten oder weil es bequem ist oder weil man mehr Vertrauen in seine eigenen Kochkünste gefasst hat. Hellofresh wird hiervon nachhaltig profitieren, auch wenn die Zahl der Nutzer in Deutschland nach überstandener Corona-Krise wieder sinken sollte.
Im ersten Halbjahr brachte es die Hellofresh-Aktie auf ein Plus von 154 Prozent.
Delivery Hero - Lieferheld in komplizierter Zeit
Ein Dankeschön galt in der Krise allen Gastronomiebetrieben, die ihre Türen wegen der Ausgangsbeschränkungen zwar geschlossen halten mussten, aber weiter kochten - auch um damit wenigstens einen Teil ihrer Kosten zu decken. Wer nicht beim Italiener um die Ecke direkt bestellte, konnte so Mahlzeiten über Online-Plattformen von Bringdiensten wie Delivery Hero ordern. Die Radfahrer mit der großen Box auf dem Rücken sind inzwischen aus dem Stadtbild kaum noch wegzudenken. Weil in den ersten Wochen des Lockdowns die Straßen wie leergefegt waren, hatten es die Auslieferer dabei auf dem Weg zum Kunden auch noch selten einfach.
Delivery Hero hat sich inzwischen aber auch global aufgestellt, vor allem der Zukauf in Südkorea Ende vergangenen Jahres wurde von den Analysten sehr positiv beurteilt. Doch weil der Verdrängungswettbewerb hart ist, muss man schnell wachsen und innovativ bleiben. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Einstieg beim Berliner Startup Honest Food zu sehen. Mit den sogenannten "Ghost Kitchen", also reine Küchen ohne Verzehrräume, will sich das Unternehmen von Restaurants weniger abhängig machen, die über die Provisionen stöhnen. Aber auch die jüngste Idee, auch Lebensmittel auszuliefern, wird positiv beurteilt.
Delivery Hero gilt nach der Kursrally als möglicher Nachrückkandidat, falls der DAX-Platz von Wirecard wie erwartet im September frei werden sollte.
Für Delivery Hero ging es im ersten Halbjahr um knapp 29 Prozent nach oben
Zalando ist den Kinderschuhen entwachsen
Lange hat es gedauert, bis sich Zalando als Online-Plattform für Mode und Lifestyle etabliert hat. Das veränderte Verbraucherverhalten, insbesondere eine stark zunehmende Präferenz für Online-Angebote, aber auch die weitere Umsetzung der Plattformstrategie und die beschleunigte Ausweitung des Zalando-Partnerprogramms lassen nun das Geschäft aufblühen.
Die Analysten der Bank of America prognostizieren für das zweite Quartal einen Umsatzanstieg von etwa 27 Prozent sowie ein bereinigtes operatives Ergebnis von etwa 200 Millionen Euro, was durchweg klar über den kursierenden Schätzungen liege. Auch das 250 Millionen Euro schwere Kosteneinsparprogramm des Managements könne Früchte tragen. Mit einem Kursziel von 75 Euro trauen sie der Aktie noch einiges zu. Und auch Zalando selbst hat gerade erst angekündigt, dass das Ergebnis im zweiten Quartal besser ausfallen wird als bislang erwartet.
Auch Zalando gilt als möglicher Nachrückkandidat, falls der DAX-Platz von Wirecard im DAX frei werden sollte.
Die Zalando-Aktie ist knapp 39 Prozent teurer als zu Jahresbeginn
Teamviewer - Erfolgsstory nimmt dank Homeoffice Fahrt auf
Im September 2019 kam die Aktie von Teamviewer an die Börse. Die Erfolgsgeschichte ist schnell erzählt: der Finanzinvestor Permira wollte bei dem Softwareunternehmen Kasse machen. Nach einem Angebotspreis von 23,50 bis 27,50 Euro wurde die Aktie zu 26,25 Euro ausgegeben. Mit 2,2 Milliarden Euro an Emissionsvolumen war Teamviewer hierzulande der größte Technologie-Börsengang seit der Dot-Com-Blase Anfang der 2000er-Jahre. Rückblickend hätte der Zeitpunkt für den Börsengang kaum besser gewählt werden können. Denn mit Teamviewer lassen sich Computer verbinden, etwa zur Fernwartung der Rechner, zur Fernsteuerung von Maschinen oder eben auch für Online-Konferenzen. Die Wettbewerber, die in der Homeoffice-Zeit alle an Bekanntheit gewonnen haben, heißen Zoom Video, Okta oder Slack.
Die gute Kursentwicklung der Aktie nutzte der Großaktionär inzwischen, seine Beteiligung weiter zu reduzieren von 51,5 auf inzwischen 39 Prozent. Fest steht, dass Permira die Beteiligung vollständig verkaufen will. Das wiederum erhöht den Streubesitz weiter.
Die Aktie von Teamviewer schaffte es trotz zweier Platzierungen im ersten Halbjahr auf ein Plus von 52 Prozent.
Shop Apotheke - Die richtige Medizin fürs Depot
Die im Herbst 2016 an die Börse gekommene Aktie der Shop-Apotheke führte lange eher ein Schattendasein, auch weil hohe Marketingkosten auf den Margen lasteten. Wachstum war zunächst oberste Priorität, wie bei vielen Online-Händlern. Immer wieder verschreckte zudem die Sorge die Anleger, dass sich der Internetkrake Amazon auch diese Geschäftsfeld einverleiben könnte.
Der Online-Arzneimittelhändler aus Holland ist nun einer der Gewinner der Corona-Krise. Allein im ersten Quartal konnte der Umsatz um ein Drittel gesteigert werden. Früh im Jahr war bereits der Jahresausblick angehoben worden und Unternehmenschef Stefan Feltens sprach davon, dass Online-Apotheken ein elementarer Bestandteil des Gesundheitssystems in der Krise seien.
Weiterer Kurstreiber war dann der politische Beschluss für das E-Rezept, mit dem dann im Laufe des kommenden Jahres auch verschreibungspflichtige Arzneimittel online bestellt werden können. Bisher liegt der Anteil der verschreibungspflichtigen Medikamente im Onlinegeschäft noch im niedrigen einstelligen Bereich. In Schweden stieg er jüngst bereits auf 10 Prozent an, in den USA liegt der Anteil schon deutlich darüber.
Unter dem Strich brachte es das Papier im ersten Halbjahr auf ein Plus von knapp 144,6 Prozent.
Finanzdienstleister rund um die Börse mit Sonderkonjunktur
Die hohen Umsätze in Folge der coronabedingt hohen Volatilität an den Kapitalmärkten bescherte Finanzdienstleistern rund um die Börse eine Sonderkonjunktur. Flaggschiff der Branche ist die Deutsche Börse. Wesentlich kleiner ist beispielsweise die Tradegate Exchange, die sich vor allem auf die Ausführung von Orders aus den Reihen von Privatanlegern spezialisiert hat, oft auch außerhalb der offiziellen Handelszeiten.
Auch Flatex profitierte vom gestiegenen Interessen der Anleger, die auch gerne riskantere Wetten eingehen. Das hohe Kundenwachstum beim Onlinebroker unterstreicht dessen Potenzial. 170.000 Neukunden wurden im ersten Quartal gewonnen, wobei alleine der März 70.000 beisteuert. Auch wenn das Wachstum nicht auf Dauer gehalten werden kann, deuten die jüngsten Insider-Käufe in der Aktie darauf hin, dass das Management von seiner Arbeit mehr als überzeugt ist. Für Fantasie sorgt zum einen der Wechsel in das Börsensegment Prime Standard, damit dürfte die Aktie noch in diesem Jahr in den SDAX aufsteigen. Zudem steht der Abschluss der Übernahme von DeGiro in den kommenden Wochen an, was zu deutlichen Synergien und damit Kosteneinsparungen führen wird.
Zu nennen ist in der Branche auch EQS Group, ein Unternehmen, das vor allem mit der Verbreitung von Unternehmensmitteilungen vielen Anlegern bekannt ist. Auch wegen der virtuellen Hauptversammlungen hatte das Unternehmen eine Art Sonderkonjunktur im ersten Halbjahr.
Die Aktie der Deutschen Börse legte im ersten Halbjahr um knapp 15 Prozent zu, für Tradegate ging es um 60 Prozent nach oben, für Flatex um 85 Prozent und für EQS Group um 40 Prozent.
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