FRANKFURT (Dow Jones)--Die jüngste Aufwärtsbewegung an den Börsen dürfte noch nicht ganz vorüber sein. Ermutigt durch eine Reihe überraschend starker Konjunkturdaten hoffen die Anleger auf eine V-Erholung der Wirtschaft. Es steht aber zu befürchten, dass sich die Daten mit den wieder verschärften Lockdown-Maßnahmen in den USA erneut eintrüben werden. Das dürfte aber erst in einigen Wochen der Fall sein.
Zunächst bleibt das positive Überraschungspotenzial aber erhalten. Aus Deutschland stehen in der kommenden Woche Auftragseingänge und Produktionsdaten an. Nach dem Einbruch in den Vormonaten gehen Analysten von einem starken Anstieg an. "Auch wenn die Vorkrisenniveaus wohl noch weit entfernt sind, dürfte dies der Hoffnung auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft zunächst einmal Auftrieb geben", so die Commerzbank.
Aus den USA steht der ISM-Index für das Service-Gewerbe an. Es wird erwartet, dass dieser im Juni die Expansionsschwelle von 50 wieder erreicht oder sogar überschritten hat. Sollten Enttäuschungen ausbleiben, dürfte dies die Hoffnungen auf eine stärkere wirtschaftliche Erholung untermauern, als dies noch vor einigen Wochen erwartet wurde. Das könnte den DAX bis in den 13.000er-Bereich treiben.
Echtzeitindikatoren sprechen für Abkühlung
Ob der Index die Hürde nehmen kann, wird unter anderem vom Verlauf der Berichtssaison für das zweite Quartal abhängen. Die Unternehmenszahlen werden wenig erbaulich ausfallen, für die Anleger wichtiger dürften indes die Ausblicke werden. Sollten diese ähnlich zuversichtlich wie die jüngsten Frühindikatoren ausfallen, wird dies den DAX weiter anschieben.
Praktisch ausgeblendet von den Märkten werden die weiter rasant wachsenden Infiziertenzahlen in den USA. Besonders betroffen sind Texas, Florida und Arizona. Vereinzelt wurden in diesen Staaten auch wieder neue Lockdowns von den Behörden angeordnet mit den entsprechenden wirtschaftlichen Gefahren. "Konjunkturelle Echtzeitindikatoren, wie die von Apple veröffentlichten Mobilitätstrends zeigen, dass das Risiko besteht, dass sich die begonnene Erholung deutlich abschwächt", so Warburg.
Sollten sich die Wirtschaftsdaten in den kommenden Wochen wieder eintrüben, würde eine Korrektur an den Börsen nicht überraschen - gerade über die Sommermonate. Zunehmend als Risikofaktor dürften auch die US-Präsidentschaftswahlen im November wahrgenommen werden. In den Umfragen liegt Herausforderer Joe Biden weit vor Amtsinhaber Donald Trump. Das kann sich zwar noch ändern, das schwache Bild, dass die US-Administration in der Covid-19-Krise macht, ist aber eine schwere Hypothek für Trump.
Trump dürfte das Weiße Haus nicht leise verlassen
Bei einer Wahlniederlage ist nicht davon auszugehen, dass Trump leise den Amtssessel räumen wird. Eine Verfassungskrise ist nicht auszuschließen mit allen damit verbundenen Unsicherheiten. Hinzu kommt: Sollte Joe Biden die Wahl gewinnen, könnten zumindest Teile der von Donald Trump beschlossenen Steuerreform rückgängig gemacht werden, so Warburg. Auch dies stellt eine potenzielle Gefahr für die Börsen dar.
Dennoch werden die Anleger auch in Zukunft an Aktien nicht herumkommen. Das Rückschlagpotenzial erscheint begrenzt. Dafür sorgen Wertpapierkäufe der G10-Notenbanken in den vergangenen Monaten von rund sechs Billionen Dollar und Konjunktur- und Hilfsprogramme in noch größerer Höhe. Die anhaltende Liquiditätsbereitstellung sollte die Bewertungen an den Börsen übergeordnet weiter nach oben treiben.
Das DAX-KGV stieg laut Warburg in der Zeit zwischen Oktober 1998 und Februar 2000 von 20 auf 30, und das des S&P-500 legte von 20 auf 25 zu. Nimmt man diese Bewertungsausweitung von damals als Maßstab, könnten die Kurse in den nächsten eineinhalb Jahren noch deutlich ansteigen. "Blasenbildungen können nämlich sehr lange anhalten. In der Vergangenheit sind sie oft erst dann geplatzt, wenn die Notenbanken die Zinsen erhöht haben - und damit ist für eine ganze Weile nicht zu rechnen", heißt es.
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July 03, 2020 07:28 ET (11:28 GMT)
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