BERLIN (Dow Jones)--Über den Ausbau der Windenergie an Land droht neuer Streit. Die Anlagenbetreiber kritisieren eine Änderung im Baurecht, die eigentlich die Schaffung von Wohnraum erleichtern soll. "Es besteht die reale Gefahr... einer weiteren Beschneidung der geeigneten Flächen für die Windenergie", erklärte der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), Hermann Albers in Berlin. Es drohten "Restriktionen durch die Hintertür".
Grund des Ärgers ist ein Referentenentwurf aus dem Bundesbauministerium von Horst Seehofer (CSU). Das sogenannte Baulandmobilisierungsgesetz schafft eine neue Gebietskategorie in der Baunutzungsverordnung, das "dörfliche Wohngebiet". Dieses dient laut dem Entwurf (Stand 9. Juni) "dem Wohnen, der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen, der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben". Ziel ist "ein einvernehmliches Miteinander" von Wohnen und Landwirtschaft.
Umstrittener Passus geht auf die Baulandkommission zurück
Das Ministerium war bei der Einführung der Kategorie "dörfliches Wohngebiet" einer Empfehlung der Baulandkommission gefolgt. Das Expertengremium mit Vertretern der Länder, Kommunen, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie des Deutschen Mieterbundes hatte das Ziel, gegen stark steigende Mieten anzugehen und Reformvorschläge für die Bodenpolitik vorzulegen.
Der BWE kritisiert, dass der Sinn des Passus insgesamt unklar bleibe. Zur Erleichterung des Zusammenlebens auf dem Land werde der neue Baugebietstyp jedenfalls keinen Beitrag leisten, so der Verband. Gleiches gelte für die Erleichterungen von bestimmten Wohnnutzungen im Außenbereich. "Damit könnten zahlreiche neue 'Schutzobjekte' im Rahmen des Mindestabstandes geschaffen werden, die über das von der Koalition zum Mindestabstand vereinbarte hinausgehen", warnte BWE-Präsident Albers. Die Branche selbst hat das Ziel, bis 2050 auf mindestens zwei Prozent der Fläche jedes Bundeslandes Ökostrom zu produzieren. Aus heutiger Sicht wären so bereits 770 Terawattstunden möglich, so Albers.
Branche lehnt Mindestabstände bei Windkraft ab
Erst am Freitag hatte der Bundesrat einer Öffnungsklausel zugestimmt, wonach die Länder künftig selbst Mindestabstände von höchstens 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen einführen können. Dies sollte die Akzeptanz für Windräder in der Bevölkerung erhöhen und die umstrittene bundeseinheitliche Abstandsregelung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vermeiden. Doch auch hier warnt die Branche vor zu starken Restriktionen. "Insgesamt stellt die Bundesregierung so die eigenen Ziele der Energiewende infrage", erklärte Albers.
Das Bundesbauministerium war vorerst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch das für Energiefragen zuständige Wirtschaftsministerium reagierte auf eine Anfrage nicht.
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July 06, 2020 12:13 ET (16:13 GMT)
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