
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)-Der Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard muss nach Überzeugung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zu einem Kompetenzzuwachs für die europäischen Aufsichtsbehörden führen. "Wir stellen uns nämlich vor, dass aus der gemeinsamen Betrachtung der Angelegenheit schon folgen wird, dass es zusätzliche Kompetenzen auch für europäische Behörden geben muss", sagte Scholz nach einer Videokonferenz der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union (EU), bei dem er den Vorsitz führte.
"Es geht jetzt darum, dass man mit großer Intensität aufklärt, was alles geschehen ist in der Frage Wirecard", erklärte der SPD-Politiker. "Das wird auch dazu führen, dass wir eine ganze Reihe von nationalen Gesetzen anfassen und Veränderungen vornehmen müssen." Künftig müssten die Aufsichtsbehörden in Deutschland "sofort und jederzeit, wenn sie das Bedürfnis dazu haben, mit forensischen Untersuchungen beginnen können". Dass ein weitgehend auf freiwilliger Kooperation beruhendes, langwieriges Verfahren vorgeschaltet sei, werde "sich ändern müssen".
Auch müsse die Gesetzgebung in Europa so weiterentwickelt werden, dass nicht nur unmittelbar als Finanzgesellschaften tätige Unternehmen entsprechend beaufsichtigt werden könnten, sondern auch solche "technischen Finanzdienstleister", die heute weitgehend unbemerkt von der Finanzaufsicht agieren könnten. "Wir brauchen eine starke, leistungsfähige, handlungsfähige Aufsichtsstruktur, denn wir sollten immer den Ehrgeiz haben, dass Europa die schärfsten Instrumente hat im weltweiten Vergleich", betonte Scholz.
Aus Scholz' Ministerium hieß es schon im Vorfeld, der Fall Wirecard verstärke Diskussionen über ein einheitliches Aufsichtsregime für Zahlungsdienstleister und über eine europäische Marktaufsicht. "Das Beispiel Wirecard ist eines von vielen, das zeigt, dass es dringend erforderlich ist, da europäische Regeln zu haben und uns auch Gedanken zu machen über eine europäische Marktaufsicht für alle börsengelisteten Unternehmen," hatte ein hochrangiger Beamter erklärt. Die Frage des Umgangs mit Zahlungsdienstleistern gewinne "durch die Ereignisse um Wirecard eine neue Aktualität".
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July 10, 2020 09:02 ET (13:02 GMT)
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