Von Andreas Kißler
BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich kurz vor der Wiederaufnahme der Verhandlungen beim EU-Gipfel in Brüssel zuversichtlich für eine mögliche Einigung auf einen EU-Wiederaufbaufonds und den mittelfristigen Finanzrahmen gezeigt. "Wir haben gestern Nacht nach langer Verhandlung einen Rahmen für eine mögliche Einigung erarbeitet", sagte sie bei ihrem Eintreffen zur Fortsetzung der Gespräche. "Das ist ein Fortschritt und gibt Hoffnung, dass es heute vielleicht zu einer Einigung kommt oder jedenfalls eine Einigung möglich ist."
Die Kanzlerin zeigte sich "sehr froh" über ihren gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Mai unternommenen Vorstoß für ein "wirklich substanzielles Programm", das die Grundlage für die Vorschläge der Kommission mit einem beträchtlichen Teil von Zuschüssen gewesen sei. "Es war klar, dass es unglaublich harte Verhandlungen gibt, die werden sich auch heute noch fortsetzen", sagte Merkel. Außergewöhnliche Situationen erforderten aber auch außergewöhnliche Anstrengungen. "Dem sind wir bisher gerecht geworden, und ich hoffe, dass die verbleibende Wegstrecke, die nicht einfach werden wird, auch noch von uns zurückgelegt werden kann."
EU-Ratspräsident Charles Michel hatte die Verhandlungen am frühen Morgen unterbrochen. Bis zum Nachmittag wollte er laut Verhandlungskreisen einen neuen Kompromissvorschlag vorlegen, der dann den Durchbruch bringen sollte. Die Regierungschefs Österreichs und der Niederlande, Sebastian Kurz und Mark Rutte, hatten sich am Montagmorgen zufrieden mit den Verhandlungen gezeigt. Der Widerstand dieser beiden sowie der skandinavischen EU-Länder gegen die Vergabe der Corona-Hilfen als nicht rückzahlbare Zuschüsse gilt als Knackpunkt in den Gesprächen.
Die Verhandlungen seien zwar noch nicht fertig, "aber wir können sehr zufrieden sein", sagte Kurz. Er hob hervor, dass der Anteil der Zuschüsse in dem geplanten 750 Milliarden Euro schweren Fonds deutlich gesenkt wurde. Ähnlich äußerte sich Rutte. Es habe "einige Fortschritte" gegeben. Am Sonntagabend noch sei er von einem Scheitern der Gespräche ausgegangen, "aber es sieht etwas hoffnungsvoller aus".
Die Staats- und Regierungschefs der EU beraten seit Freitag bei dem Gipfel in Brüssel über den geplanten europäischen Wiederaufbaufonds und den Haushaltsplan für die Zeit von 2021 bis 2027. Merkel hatte gemeinsam mit Macron einen Fonds über 500 Milliarden Euro an Zuschüssen vorgeschlagen, den die EU-Kommission noch um 250 Milliarden an Krediten ausgeweitet hat. Michel hat mittlerweile aber mehrere Vorschläge unterbreitet, die eine immer weitere Reduzierung des Anteils der Zuschüsse vorsahen.
(mit Material von AFP)
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July 20, 2020 07:31 ET (11:31 GMT)
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