Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Für den Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Henning Vöpel, bedeutet das Ergebnis des jüngsten EU-Gipfels "eine weitere Evolution Europas". Das schreibt Vöpel in einem von dem Institut verbreiteten Beitrag. "Es war ein 'Moment of Truth', und Europa hat gut daran getan, ihn so zu nutzen", hob der Ökonom hervor. "Sich in einer Ausnahmesituation gemeinsam verschulden zu können, ist sicher richtig, die Gefahr von Fehlanreizen oder gar einer Schuldenunion eher gering."
Eine europäische Steuerhoheit aber setze eine europäische Legitimation und exekutive Verantwortung voraus. Alles andere würde die Stabilität der politischen Ordnung verletzen und langfristig letztlich tatsächlich eine große Gefahr darstellen. "Wenn die Europäer in einem halben Jahrhundert auf die beginnenden 20er Jahre zurückblicken, werden sie diese Jahre als historisch einordnen, denn nicht nur Europa ist in Bewegung, die gesamte Welt und ihre Ordnung sind es", sagte Vöpel vorher. "Die post-pandemische Ordnung wird eine andere sein."
Ob Europa tatsächlich viel besser aus der Krise komme als andere bleibe aber abzuwarten. Die staatlichen Institutionen hätten gut funktioniert, doch so wenig wie eine starke Wirtschaft einen funktionierenden Staat ersetzen könne, ersetze ein starker Staat eine funktionierende Wirtschaft. "Beides wird für Europa bei der Bewältigung der Krise wichtig", betonte der HWWI-Chef. In der Stärke von Staat und Wirtschaft könne am Ende der Vorteil Europas liegen. Die technologische und industrielle Erneuerung der europäischen Wirtschaft müsse das Ziel der kommenden Jahre sein - "weit über die Ziele und Instrumente des jetzigen Wiederaufbaufonds hinaus".
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/cbr
(END) Dow Jones Newswires
July 23, 2020 06:14 ET (10:14 GMT)
Copyright (c) 2020 Dow Jones & Company, Inc.