Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die Nominierung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten hat in der Union Befremden ausgelöst. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder wunderte sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, "ob das jetzt der richtige Zeitpunkt für den Start in den Wahlkampf" sei.
"Wir müssen gemeinsam die Corona-Herausforderung bewältigen. Über ein Jahr Dauerwahlkampf würde die Zusammenarbeit in der Groko deutlich erschweren", gab Söder auf seinem offiziellen Twitter-Kanal zu bedenken.
Scholz wurde am Montag vom SPD-Parteivorstand zum Kanzlerkandidaten nominiert. Die nächste reguläre Bundestagswahl findet allerdingst erst im September 2021 statt. Scholz erklärte den Zeitpunkt damit, dass die Wähler nun wüssten, woran sie mit der SPD seien.
Kandidaten für den CDU-Vorsitz, und damit mögliche Gegner im Wahlkampf im kommenden Jahr, zeigten sich verwundert, dass die SPD nach der Wahl der Parteilinken Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu den neuen SPD-Chefs nun Scholz als Kanzlerkandidaten aufgestellt hat.
"Olaf Scholz wird es so ergehen wie Peer Steinbrück 2013: Der Kandidat passt nicht zur Partei", sagte Friedrich Merz (CDU) der Rheinischen Post.
Ähnlich sieht es Norbert Röttgen, der ebenfalls neuer CDU-Vorsitzender werden will. "Die SPD hatte schon einige Kanzlerkandidaten, die nicht zur Partei und ihrer Richtung passten", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Das macht auch Scholz zu einer taktischen Lösung, die nicht glaubwürdig ist." Die Entscheidung für Scholz sei allerdings auch "keine Überraschung".
Nach Informationen der Saarbrücker Zeitung hat CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in einer internen Korrespondenz mit Unions-Funktionsträgern die Partei aufgefordert, sich weiter auf die Regierungsarbeit zu konzentrieren. Die Nominierung nehme man "mal gelassen zur Kenntnis". Nachdem die SPD am Sonntag noch über Rot-Rot-Grün und einen grünen Kanzler philosophiert habe, "nominiert sie heute Olaf Scholz, den sie vor Kurzem noch nicht einmal als eigenen Vorsitzenden überzeugend fand und der zudem ein erklärter Gegner von r2g ist." Die SPD bleibe "ihrem intensiven und schwankenden Selbstfindungskurs also treu".
Der neue CDU-Vorsitzende soll auf Parteitag im Dezember bestimmt werden. Neben Merz und Röttgen kandidiert der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet. Der CDU-Vorsitzende gilt als möglicher Anwärter auf die Unions-Kanzlerkandidatur. Allerdings könnte auch CSU-Chef Söder Ambitionen anmelden. Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich nicht zur Wiederwahl stellen.
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August 10, 2020 10:16 ET (14:16 GMT)
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