DJ Scharfe Kritik am geplanten Bieterverfahren bei Meereswindparks
Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Das geplante Ausschreibungsverfahren für den Ausbau der Windenergie auf See stößt auf immer stärkere Ablehnung. In einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags teilte auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die Kritik der Energiebranche an dem von der Bundesregierung angestrebten Vorgehen. "Wir können uns zur Erreichung der Klimaziele keinen Fehlschlag leisten", erklärte VDMA-Experte Matthias Zelinger. "Je mehr Risiken in den Ausschreibungen stecken, umso weniger Teilnehmer werden auch am Ende dabei sein."
Die Kritik richtet sich gegen den Plan von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Betreiber von Windparks gegebenenfalls für die Netzanbindung zur Kasse zu bitten. Die Änderung soll über das neue Bieterverfahren umgesetzt werden. Bislang war der Netzanschluss generell kostenfrei, und bei den Ausschreibungen erhielt derjenige den Zuschlag, der für seine Offshore-Anlage den niedrigsten Zuschuss pro Kilowattstunde Strom verlangte. 2017 und 2018 hatten einzelne Projektierer aber keine Förderung mehr für ihre Meereswindparks beansprucht und Gebote von null Cent pro Kilowattstunde abgegeben. Damit der Sieger nicht ausgelost werden muss, soll künftig eine zweite Gebotsrunde eingeführt werden. Darin sollen die Interessenten eine Beteiligung am Netzausbau anbieten. Wer am meisten zu zahlen bereit ist, erhält den Zuschlag.
Energiewirtschaft pocht auf Differenzverträge
Die Energiewirtschaft bevorzugt dagegen Differenzverträge (Contract for Difference, kurz CFD). Dabei erhalten die Betreiber bei niedrigen Strompreisen wie bei der EEG-Umlage ihre garantierten Zahlungen, die Mehreinnahmen bei hohen Strompreisen fließen an die Verbraucher zurück. Zelinger vom VDMA argumentierte, dass es solche Differenzverträge bereits in Großbritannien, Irland, Frankreich, Polen, Dänemark und Litauen gebe.
Aus Sicht des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO) erhöht das vom Bund bevorzugte Modell die Finanzierungsrisiken und damit die Kosten für den produzierten Strom um etwa 30 Prozent. Das senke die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen, das den Zuschlag erhält, das Projekt am Ende auch realisieren könne, sagte BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm laut Bundestag-Pressedienst. Ähnlich äußerte sich auch der Experte von Siemens Gamesa, Pierre Bauer, während Heiko Messerschmidt von der IG Metall Küste empfahl, den strittigen Passus erst einmal ganz aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen.
Befürworter des Gebotsmodells wollen mehr Markt beim Ökostrom
Altmaiers Berater - Consentec-Geschäftsführer Christoph Maurer - verteidigte den Gesetzentwurf jedoch. Mit dem geplanten Bieterverfahren soll der Ökostrom in den Markt integriert werden, erklärte Maurer laut Bundestag. Das Differenzmodell würde dagegen erneut wie das EEG einen "Schutzwall" errichten, der Bieter vom Markt abschirmt. Der Chef der Betreibergesellschaft der Leipziger Strombörse EEX AG, Peter Reitz, fürchtet gar, dass das CfD-Modell dann bald auch für Wind an Land und Solar gefordert würde. "Der Stromterminmarkt droht so langfristig auszutrocknen", sagte Reitz. Einen Mittelweg schlug EnBW vor: Demnach solle sich der Anlagenbetreiber nur an Netzanschlusskosten beteiligen, wenn ein Gewinn abfällt, sagte Dirk Güsewell, Leiter Erzeugung Portfolioentwicklung bei der EnBW.
Grüne fordern Investitionssicherheit für Offshore-Wind
Die Grünen schlossen sich der Forderung der Energiewirtschaft an. Differenzverträge wären eine Finanzierung, "die kostengünstig, fair und verlässlich ist", sagte die energiepolitische Fraktionssprecherin Julia Verlinden. "Die Union, die Autokonzernen die Kosten für falsche Investitionsentscheidungen durch den Steuerzahler abnehmen will, schreit auf, wenn die Windenergiebranche Investitionssicherheit bekommen soll", so die Grüne. "Und das, obwohl selbst die Sachverständigen der Regierungskoalition das Modell der Bundesregierung in Zweifel zogen."
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte die Regierung am Rande der Anhörung auch auf, Flächenpotenziale im Küstenmeer und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Ostsee zu prüfen. "Das minimiert das Risiko für den Fall, dass das langfristige Ausbauziel bis 2040 nicht allein mit Flächen in der Nordsee erreicht werden kann", sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Mit dem Windenergie-auf-See-Gesetz soll der Ausbau der Offshore-Energie bis 2030 von derzeit 7,5 auf bis zu 20 Gigawatt erhöht werden. Bis 2040 sind dann 40 Gigawatt angepeilt.
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September 09, 2020 11:18 ET (15:18 GMT)
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