DJ S&P: Europas Banken haben 210 Mrd Euro in Staatsschulden gesteckt
FRANKFURT (Dow Jones)--Europas Banken haben nach einer Erhebung der Ratingagentur S&P seit Beginn der Coronavirus-Pandemie für 210 Milliarden Euro Staatsanleihen erworben. Die Agentur beurteilt die Situation aber anders als zu Beginn der Staatsschuldenkrise vor 10 Jahren und ist deshalb weniger alarmiert.
"Der Anstieg der Investitionen in Staatsanleihen in Europa ist unserer Ansicht nach eine vorübergehende Reaktion auf die überschüssige Marktliquidität", schreibt S&P-Kreditanalyst Cihan Duran in einem Bericht unter dem Titel "The European Sovereign-Bank Nexus Deepens By €200 Billion". "Wir denken, dass es dieses Mal anders ist als im Vorfeld der europäischen Staatsschuldenkrise ab etwa 2011."
Sollte sich diese Einschätzung allerdings nicht bewahrheiten und der Trend zum Kauf von Staatsanleihen in Europa anhalten, dann könnten unterschätzte Risiken bei einzelnen Staaten in ferner Zukunft erneut einen "Teufelskreis" in Gang setzen, vor allem bei jenen Instituten, die extreme Positionen bei Staatsanleihen aufgebaut hätten, heißt es in dem Bericht weiter. Eine negative Neubewertung solcher Wertpapiere würde dann zu geringeren Gewinnen und wachsenden Risiken für die Banken führen.
Durch die großen Garantieprogramme für Kredite, die Regierungen in ganz Europa aktuell zur Bewältigung der wirtschaftlichen Pandemiefolgen aufgelegt haben, werde die Verbindung zwischen Staat und Banken nämlich verstärkt und damit das Eventualhaftungsrisiko in ganz Europa. Regulatorische Diskussionen und Vorschläge zur Auflösung dieser engen Verbindung waren bisher nicht erfolgreich, schreibt S&P. Auch sei eine Lösung nicht in Sicht.
"Eine noch engere Verflechtung zwischen Staat und Bank könnte auch die Initiative zur Schaffung eines paneuropäischen Einlagensicherungssystems zurückwerfen, ein dringend notwendiger Schritt in der Entwicklung der Europäischen Bankenunion", warnte Duran.
Die Kapazitäten zur Kreditvergabe an den privaten Sektor würden nach Einschätzung von S&P nicht eingeschränkt, sollten die Banken vorerst weiter Staatsanleihen kaufen.
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September 21, 2020 05:10 ET (09:10 GMT)
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