DJ Deutsche sehen Chancen und Gefahren in der künstlichen Intelligenz
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung sehen die künstliche Intelligenz (KI) zunehmend als Chance und gehen davon aus, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken wird. Gleichzeitig haben aber auch viele Angst vor ihr, so das Ergebnis einer am Montag vorgestellten Umfrage des Branchenverbands Bitkom. Insgesamt hat sich das Bild von der KI aber deutlich verbessert. Denn noch vor drei Jahren sahen lediglich 48 Prozent der Befragten die KI als Chance an.
Eine Mehrheit rechnet damit, dass KI die Gesellschaft bereits in den kommenden fünf Jahren spürbar verändern wird, und fordert, dass die Technologie stärker kontrolliert wird. Von den 1.004 Befragten verlangten 90 Prozent sichere KI-Anwendungen, aber nur halb so viele wollen Verbote.
"Die Menschen erkennen, welch entscheidende Rolle KI in der Zukunft spielen wird. Statt Verboten wünschen sie sich Kontrolle und Sicherheit", so Berg, für den künstliche Intelligenz die wahrscheinlich entscheidendste Zukunftstechnologie ist. "KI-Anwendungen fallen bereits heute unter bestehende Regelungen wie Antidiskriminierungs- und Datenschutzvorschriften. Jetzt gilt es Vorgaben für besonders sicherheitskritische Produkte konsequent umzusetzen und bei Bedarf an KI-spezifische Risiken anzupassen. Neue Gesetze brauchen wir für KI nicht."
Drei von vier Befragten fordern, dass Deutschland bei der Entwicklung und der Vermarktung von KI-Anwendungen eine weltweite Führungsrolle einnehmen soll. Zugleich wünscht sich eine große Mehrheit (85 Prozent) eine sichere KI und verlangt, dass KI-Systeme in Deutschland besonders gründlich geprüft und erst nach Zulassung in Geräten genutzt werden können. Nur eine Minderheit von 44 Prozent möchte in Deutschland bestimmte KI-Anwendungen verbieten.
Vorbehalte für Einsatz in der Arbeitswelt
Skeptisch sind die Menschen beim KI-Einsatz allerdings in ihrem Arbeitsalltag, so Bitkom. 44 Prozent sehen in diesem Bereich vor allem Gefahren. Rund drei Viertel (73 Prozent) befürchten eine stärkere Kontrolle der Beschäftigten durch KI, zwei Drittel (65 Prozent) den Verlust von Arbeitsplätzen. Fast jeder Zweite (45 Prozent) glaubt, dass KI dabei hilft, im Job Fehler zu vermeiden. Ebenso viele gehen laut Umfrage davon aus, dass langweilige Routinetätigkeiten reduziert werden und so mehr Freiraum für interessantere Aufgaben bleibt.
Was den KI-Einsatz in der Personalauswahl angeht, so ist die Bevölkerung gespalten, erklärte Bitkom. Die eine Hälfte (49 Prozent) befürchtet, dass eine KI einen Bewerber ohne sachlichen Grund ablehnt, zum Beispiel weil der Algorithmus bestimmte Personen diskriminiert. Auf der anderen Seite geben aber mit 44 Prozent fast ebenso viele an, dass sie eher befürchten, ein menschlicher Personalverantwortlicher würde Bewerber ohne sachlichen Grund ablehnen, zum Beispiel weil er Vorurteile gegenüber Alter, Geschlecht oder Herkunft hat.
"Die intensive öffentliche Diskussion um diskriminierende Algorithmen spiegelt sich eins zu eins in den Befragungsergebnissen wider", erklärte Berg. Dabei ist KI in Personalabteilungen so gut wie nicht zu finden. Weniger als ein Prozent der Unternehmen setzen derzeit KI bei der Bewerberauswahl ein."
Offen für KI im Gesundheitswesen und Verwaltung
Vor allem aber in der Pflege, Medizin und der Verwaltung wünscht sich eine Mehrheit den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Berg erwartet, dass KI die Medizin stärker revolutionieren wird als die Erfindung der Antibiotika, da sie die Analyse von Röntgenbildern und Laborergebnisse erleichtern wird. Ebenfalls eine Mehrheit wünscht laut Umfrage sich den KI-Einsatz beim Transport, in der Bildung, in Personalabteilungen oder im Kundenservice sowie im Verkehr, etwa mit autonomen Fahrzeugen.
Keine Mehrheit findet KI hingegen für politische Entscheidungen (50 Prozent), im Militär (48 Prozent) sowie in der Betreuung von Kleinkindern (38 Prozent). "Künstliche Intelligenz wird besonders dort gewünscht, wo der persönliche Nutzen greifbar ist - und wo man womöglich auch den größten Verbesserungsbedarf sieht: in der Pflege und Medizin sowie in der Verwaltung", so Berg.
KI-Warnsysteme und autonome Fahrzeuge werden unsere Mobilität prägen
Besonders große Erwartungen gibt es beim Einsatz der KI im Verkehr. Drei Viertel gehen davon aus, dass sich KI-unterstützte Warnsysteme im Auto bereits in den kommenden zehn Jahren durchgesetzt haben werden, 38 Prozent rechnen sogar mit einem Durchbruch binnen fünf Jahren.
Bei selbstfahrenden Fahrzeugen gibt es jedoch sehr unterschiedliche Erwartungen. 60 Prozent rechnen innerhalb von zehn Jahren mit dem Durchbruch selbstfahrender Busse auf unseren Straßen. Aber nur 44 Prozent erwarten selbstfahrende U- oder S-Bahnen, 39 Prozent Fernzüge und 37 Prozent selbstfahrende Lieferwagen für Warentransporte. Selbst autonome Autos können sich 30 Prozent innerhalb von zehn Jahren auf deutschen Straßen vorstellen, 8 Prozent erwarten autonome Autos sogar innerhalb der nächsten fünf Jahre im Straßenverkehr. Ganz anders sieht es im Luftverkehr aus: Gerade einmal 6 Prozent meinen, dass autonome Flugzeuge in den nächsten zehn Jahren Passagiere transportieren werden.
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September 28, 2020 04:12 ET (08:12 GMT)
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