DJ Commerzbank/Krämer: EZB legt sich nicht auf Fed-Strategie fest
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer nicht dem Beispiel der US-Notenbank folgen und formell eine Strategie der durchschnittlichen Inflationssteuerung beschließen. Krämer ist der Ansicht, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde dies am Mittwoch bei der Konferenz "The ECB and it's Watchers" auch nicht signalisiert hat.
"Nach unserer Interpretation hat sich die EZB-Präsidentin gestern in keiner Weise festgelegt", schreibt Krämer in einem Kommentar. Vielmehr habe sie nur auf eine Diskussion verwiesen, die die EZB im Rahmen ihrer Strategieüberprüfung führe, die erst in einem Jahr enden soll. "Anders als ihr Vorgänger Mario Draghi vermeidet Christine Lagarde ohnehin Vorfestlegungen, weil das im EZB-Rat für böses Blut sorgt", meint Krämer.
Krämer geht davon aus, dass die neue EZB-Strategie von zwei Elementen gekennzeichnet sein wird: Preisstabilität dürfte die EZB nicht mehr bei knapp 2 Prozent als gegeben ansehen, sondern schlicht bei 2 Prozent. "Die Latte für einen Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik hinge dann etwas höher. Außerdem ließe sich eine glatte Zahl leichter kommunizieren, was Christine Lagarde wichtig ist", argumentiert Krämer.
Die EZB dürfte außerdem die Symmetrie ihrer Geldpolitik stärker betonen, also ihre Bereitschaft, gegen eine unter 2 Prozent liegende Inflation genauso entschlossen vorzugehen wie gegen eine Inflation von mehr als 2 Prozent. "Damit will sie deutlicher machen, dass sie eine unter 2 Prozent liegende Inflation nicht tolerieren wird - anders als in den Jahren vor 2003, als ihr Inflationsziel nicht bei knapp 2 Prozent lag, sondern zwischen 0 und 2 Prozent."
Auch wenn die EZB formell eine andere Strategie als die Fed beschließen sollte, liefe es laut Krämer aber faktisch auf dasselbe hinaus. "Die EZB dürfte wie die Fed viele Jahre an ihrer extrem lockeren Geldpolitik festhalten." Das gelte umso mehr, als vor allem die südlichen Staaten der Währungsunion zu hoch verschuldet seien und über ihre Vertreter im EZB-Rat auf eine dauerhaft lockere Geldpolitik drängten.
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October 01, 2020 05:33 ET (09:33 GMT)
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