DJ Opposition fordert Kreuzverhör im Maut-Untersuchungsausschuss
BERLIN (Dow Jones)--Im Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Pkw-Maut fordert die Opposition ein Kreuzverhör zwischen den Betreiberfirmen und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Dann kann man sehr gut sehen, wie die Zeugen selbst reagieren", sagte FDP-Obmann Christian Jung im ARD-Morgenmagazin. Ein solches Verfahren ermögliche es auch festzustellen, "wer die Wahrheit sagt oder was wahrscheinlicher ist". In der Marathonsitzung in der Nacht zu Freitag hatten die drei Vertreter der Maut-Firmen CTS Eventim, Kapsch TrafficCom und Autoticket Scheuers Darstellung zur Einrichtung der Pkw-Maut widersprochen.
Ein Kreuzverhör wäre "höchst peinlich für den Minister Andreas Scheuer und auch die CSU", da es "unter Umständen die komplette Unseriosität dieser Partei auch zeigt", betonte Jung. In der Vernehmung erklärten die drei Firmenvertreter, habe man dem Minister im Herbst 2018 vorgeschlagen, die Mautverträge erst nach dem anstehenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rechtskonformität zu unterzeichnen. Ein Beweggrund sei gewesen, dass das Projekt teurer geworden wäre als die vom Bundestag genehmigte Summe, erklärten die Chefs der drei Unternehmen. "Der Minister lehnte es entschieden ab, mit der Unterzeichnung des Vertrags auf das EuGH-Urteil zu warten", sagte der Vorstandsvorsitzende von CTS-Eventim, Klaus-Peter Schulenberg laut dem bei Twitter veröffentlichten schriftlichen Protokoll gegenüber dem Ausschuss.
Scheuer: "Nach meiner Erinnerung kein Angebot gegeben"
Scheuer indes wiederholte frühere Aussagen gegenüber dem Bundestag, wonach es bei dem Treffen mit den Chefs der Betreiberfirmen CTS Eventim und Kapsch TrafficCom am 29. November 2018 "nach meiner Erinnerung" kein Angebot über einen Aufschub der Vertragsunterzeichnung gegeben habe. Es habe auch "gar keine Veranlassung" bestanden, über "eine solche Frage zu sprechen oder nachzudenken", sagte Scheuer.
Aus Sicht der Opposition hat auch der von der Union geladene Zeuge, der frühere Staatssekretär und heutige Geschäftsführer der Lkw-Maut-Betreiberfirma Toll Collect, Gerhard Schulz, die Aussage des Ministers nicht stützen können. Schulz werde für Scheuer "vom Ent- zum Belastungszeugen", erklärte der Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer bei Twitter. Er habe zu dem besagten Treffen zwischen Scheuer und den Maut-Betreiberfirmen erklärt, er könne sich nicht erinnern, es aber auch nicht ausschließen. Dies sei "absolut unglaubwürdig", so Krischer. Sein Fraktionskollege Stephan Kühn (Grüne) erklärte: "Damit ist klar, Scheuer hat gegenüber dem Parlament gelogen!"
Der Maut-Untersuchungsausschuss will aufklären, ob Scheuer gegen das Haushalts- und Vergaberecht verstoßen und dem Parlament die Unwahrheit erklärt habe. Der Ausschuss beschäftigt sich mit Scheuers Entscheidung, bereits im Herbst 2018 mit den Betreiberfirmen Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Pkw-Maut abgeschlossen zu haben, obwohl der EuGH noch nicht sein Urteil zu deren Rechtmäßigkeit gefällt hatte. Im Sommer 2019 wurde sie dann vom EuGH gestoppt und als ausländerdiskriminierend bezeichnet.
Der Bund kündigte daraufhin die Verträge mit Kapsch Trafficcom und CTS Eventim, die für die Maut die Gemeinschaftsfirma Autoticket gegründet hatten. Als Grund wurden auch Mängel bei den Betreiberfirmen angegeben. Diese fordern im Gegenzug 560 Millionen Euro an Schadensersatz. Der Bund bestreitet das Recht darauf.
(Mitarbeit: Andrea Thomas. Mit Material von AFP)
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October 02, 2020 02:55 ET (06:55 GMT)
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