DJ Wirtschaft fordert umfassenden Schutz vor Carbon Leakage
BERLIN (Dow Jones)--Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat vor Wohlstandsverlusten gewarnt, sollten die Maßnahmen zum Klimaschutz nicht abgefedert und von deutlichen Investitionshilfen begleitet werden. Dann drohe Carbon Leakage, heißt es in einem Impulspapier des Verbands mit zehn konkreten Empfehlungen. "Denn der Wettbewerb zwingt - solange es hier keine internationalen Lösungen gibt - Unternehmen, ihre Produktion an Standorte mit niedrigeren CO2-Kosten zu verlagern." Das schade "aber nicht nur Wachstum und Beschäftigung in Deutschland, sondern auch dem Klimaschutz".
Die Einführung des nationalen Emissionshandels auf Kraft- und Brennstoffe im kommenden Jahr werde für viele Unternehmen zur Belastung. Wenn der CO2-Preis mit 25 Euro pro Tonne startet, habe etwa ein typischer mittelständischer Textilveredler knapp 400.000 Euro an Mehrkosten jährlich zu tragen. Spätestens 2025 beim Preis von 55 Euro stiegen die Mehrkosten auf rund 850.000 Euro, womit der Jahresgewinn bereits übertroffen sei.
Im Rahmen der höheren EU-Klimaziele 2030 werden auch die Zertifikatepreise im europäischen Emissionshandel ETS steigen und auf neue Sektoren ausgeweitet. Dringend benötigt sei daher eine finanzielle Kompensation. Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus, den die Europäische Kommission vorgeschlagen hatte, umfasse jedoch nur wenige Sektoren und sei daher "kein hinreichendes Mittel", um das Carbon-Leakage-Risiko einzudämmen.
Grundsätzlich befürwortet der DIHK die CO2-Bepreisung allerdings. "Die Politik sollte das Vertrauen haben, diese von ihr richtigerweise gewählten Instrumente wirken zu lassen", heißt es in dem Papier. Die europäischen und nationalen Emissionshandelssysteme sollten daher nicht durch Zusatzregulierung "wie diejenige zur Umsetzung zusätzlicher europäischer Ziele für Energieeffizienz und erneuerbare Energien" verzerrt werden.
Um den Unternehmen den Spielraum für die nötigen Klima-Innovationen zu geben, müsse zudem der Strompreis deutlich sinken: Dazu müsse die Erneuerbare-Energien-Umlage komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert, perspektivisch abgeschafft werden, so das Papier. Im entsprechenden EEG 2021 sollte auch die Ökostrom-Eigenversorgung zum ermäßigten oder gar keinem Umlagesatz möglich sein. Generell fordert der DIHK einen deutlich schnelleren Ökostromausbau und neue Flächen für Windkraft in den Ländern. Um einen Markt für Wasserstoff zu schaffen, sollten Unternehmen übergangsweise auch konventionell oder CO2-arm hergestellten und nicht nur grünen Wasserstoff nutzen können.
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October 08, 2020 05:00 ET (09:00 GMT)
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