
DJ Merkel: Rechtsstaatlichkeits-Frage bei EU-Fonds nicht einfach
BERLIN (Dow Jones)--Im Streit der deutschen Ratspräsidentschaft mit dem EU-Parlament um mehr Rechtsstaatlichkeit bei der Vergabe von EU-Geldern hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verhalten optimistisch gezeigt. "In der Tat ist das Thema Rechtsstaat von allergrößter Bedeutung", sagte Merkel bei einer Videoschalte des EU-Ausschusses der Regionen. Die Ratspräsidentschaft stehe "noch vor der Aufgabe, die Lösung für die Freigabe der finanziellen Mittel zusammen mit dem Europäischen Parlament zu finden und trotzdem auch einen Fortschritt für Rechtsstaatlichkeit zu erreichen", so die Kanzlerin. "Das ist nicht so ganz einfach, wie man sich das denkt, aber ich hoffe, dass es uns gelingt."
In den Trilogverhandlungen um das 1,8 Billionen Euro schwere Paket - das sowohl den EU-Wiederaufbaufonds als auch den siebenjährigen Haushaltsplan umfasst - pocht das Europäische Parlament auf einen sanktionsbewehrten Kontroll- und Überwachungsmechanismus. Demnach sollen Mitgliedsstaaten, die Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit oder Pressefreiheit aufweisen, keine Mittel mehr erhalten.
Wegen des Widerstands von Ungarn und Polen dagegen hatte die deutsche Ratspräsidentschaft indes vorgeschlagen, Gelder aus Brüssel erst dann zu streichen, wenn Verstöße direkt die Finanzen oder Haushaltsführung der EU betreffen. Damit ginge es Berlin eher um Korruption statt um demokratische Prinzipien. Der Rat müsste den Sanktionen zudem erst noch mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Das Parlament hatte den deutschen Kompromissvorschlag jedoch zurückgewiesen.
Merkel betonte, das Finanzpaket müsse auf den Weg gebracht werden, "damit die Mittel ab Anfang 2021 auch eingesetzt werden können". Nötig sei dazu neben einer Einigung mit dem Europäischen Parlament auch eine Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses in jedem Mitgliedsstaat. "Hierfür bitte ich auch Sie um ihre Unterstützung vor Ort", sagte sie zu den Ausschussmitgliedern, den gewählten Vertretern lokaler oder regionaler Behörden.
Infolge der Coronakrise sind die Einnahmen der Gemeinden und Regionen in Europa um bis zu 10 Prozent eingebrochen. Allein in Italien, Deutschland und Frankreich belaufen sich die Einbußen auf insgesamt 30 Milliarden Euro, wie das erste EU-weite Jahresbarometer zur Lage der Gemeinden und Regionen ergab, das am Montag vorgestellt wurde. In der von Kantar in der ersten Septemberhälfte durchgeführten Umfrage unter mehr als 26.000 Europäern ging auch hervor, dass das Vertrauen in die Kommunen und Regionen größer ist als in die nationalen Regierungen oder die EU.
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October 13, 2020 10:11 ET (14:11 GMT)
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