
DJ EZB/Weidmann warnt vor Zombie-Firmen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und die hohen Staatsausgaben im Euroraum sind nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann notwendig, um langfristige Schäden an den Volkswirtschaften durch die Corona-Pandemie zu verhindern. In einer virtuell gehaltenen Rede vor der Harvard University warnte Weidmann aber zugleich davor, die staatlichen Hilfsmaßnahmen zu lange aufrecht zu erhalten, dass ansonsten Zombie-Firmen entstehen könnten.
"Die Sorge ist weit verbreitet, dass die verschiedenen Krisenmaßnahmen das, was der Ökonom Joseph Schumpeter einst die kreative Zerstörung nannte, beeinträchtigen und dem Untergang geweihte, unproduktive Unternehmen am Leben halten könnten", sagte Weidmann laut veröffentlichtem Redetext. Weidmann wies auf Studien hin, denen zufolge es in einigen Ländern schon seit der Einführung des Euro zu einer verstärkten Fehlallokation von Kapital komme.
"Hinsichtlich Deutschlands haben Bundesbank-Experten herausgefunden, dass der Anteil von unproduktiven Firmen, die den Markt verlassen sollten, gering war und keine steigende Tendenz zeigte", sagte der Bundesbank-Präsident. Für die Regierungen sei es eine Gratwanderung zwischen der erwünschten Stabilisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Notwendigkeit, Strukturwandel zuzulassen.
"Deshalb ist es wichtig, dass sie ständig die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen ihrer Krisenmaßnahmen überprüfen", sagte Weidmann. Die Krisenmaßnahmen müssten temporär bleiben und die entstandenen Defizite nach der Krise automatisch abgebaut werden. "Je höher die öffentlichen Schulden, desto schwerer könnte es der Geldpolitik werden, die Zinsen anzuheben, wenn der Inflationsausblick das verlangt", warnte Weidmann.
Als "beunruhigend" bezeichnete er das hohe Volumen der beschlossenen Kreditaufnahme auf EU-Ebene. "Diese Art der Kreditaufnahme sollte eine einmalige Krisenmaßnahme bleiben, denn sie passt nicht zum institutionellen Rahmen der EU", sagte Weidmann.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/kla
(END) Dow Jones Newswires
October 19, 2020 12:22 ET (16:22 GMT)
Copyright (c) 2020 Dow Jones & Company, Inc.