DJ Studie: Bis zu 800.000 Jobs bei heimischer Wasserstofferzeugung
BERLIN (Dow Jones)--Beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sollte Deutschland laut einer neuen Studie eher auf eine inländische Erzeugung als auf die Einfuhr setzen. "Es ergeben sich signifikante volkswirtschaftliche Effekte, wenn der Wasserstoff - statt importiert - größtenteils heimisch produziert wird", heißt es in einer vom nordrhein-westfälischen Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) in Auftrag gegebenen Studie des Wuppertal Instituts und des Beratungsunternehmens DIW ECON. So könnten in der Industrie langfristig bis zu 800.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Die Studie widerspricht damit einer jüngst von der Mineralölwirtschaft präsentierten Analyse, wonach es billiger wäre, Wasserstoff oder alternative Kraftstoffe im globalen Süden zu produzieren und zu importieren.
90 Prozent des Wasserstoffs in Deutschland produzieren
Grundlage für die Berechnung des Erneuerbaren-Verbands ist die sehr optimistische Annahme, dass 90 Prozent des grünen, also mit Ökostrom erzeugten Wasserstoffs in Deutschland produziert werden. In diesem Fall seien direkte und indirekte Wertschöpfungseffekte von bis zu 30 Milliarden Euro im Jahr 2050 zu erwarten. Bei einer Wasserstoffnachfrage von bis zu 450 Terawattstunden pro Jahr entspreche das einer Wertschöpfung von rund 7 Cent pro Kilowattstunde. Dazu sei aber ein rascher und umfassender Ökostromausbau notwendig. Zum Vergleich: 2019 wurden in Deutschland laut Umweltbundesamt gerade mal 244 Terawattstunden Ökostrom erzeugt.
In der Folge würde der Erneuerbaren-Sektor auch am meisten bei den Jobs profitieren, gefolgt von der eigentlichen Wasserstoff-Erzeugung mithilfe von Elektrolyseuren. Auch beim Transport sowie der Speicherung von Wasserstoff seien volkswirtschaftliche Potenziale in Deutschland vorhanden. Alternativ empfiehlt die Studie auch eine gesamteuropäische Strategie.
Bundesregierung will mit Marokko oder Saudi-Arabien zusammenarbeiten
In ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie setzt die Bundesregierung zum überwiegenden Teil auf den Import, "da die erneuerbaren Erzeugungskapazitäten innerhalb Deutschlands begrenzt sind". Dazu hat die Regierung bereits eine Wasserstoffpartnerschaft mit Marokko geschlossen und strebt weitere Abkommen mit Saudi-Arabien, Chile oder in Afrika an. Bis 2030 geht die Nationale Strategie von einem inländischen Wasserstoffbedarf von 90 bis 110 Terawattstunden aus. Allerdings sollen hierzulande nur Erzeugungsanlagen von bis zu 5 Gigawatt (14 Terawattstunden) entstehen, sowie 10 Gigawatt (28 Terawattstunden) bis spätestens 2040.
Ohne auf die Ende Oktober veröffentlichte Studie der beiden Mineralöl-Fachverbände MWV und Uniti einzugehen, wendet sich die Analyse auch gegen Annahmen, der Import von Wasserstoff sei billiger. Zwar könnten die reinen Produktionskosten in Nordafrika oder Norwegen mitunter "deutlich günstiger" als diejenigen in Deutschland sein. "Unter Einbeziehung von Transportkosten nivellieren sich diese Unterschiede jedoch", betonen die Autoren. Die Mineralölwirtschaft hatte mit Verweis auf ihre Kosten-Rechnung erklärt, dass Elektroautos nicht mehr deutlich effizienter seien als Verbrenner, die mit strombasierten - teils importierten - Kraftstoffen fahren. Denn die Effizienz einer Solaranlage etwa im globalen Süden sei deutlich höher als einer vergleichbaren in Deutschland.
Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com
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November 03, 2020 04:00 ET (09:00 GMT)
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