DJ Grüne erheben Vorwürfe nach Sitzung von Wirecard-Ausschuss
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Grünen haben nach einer Anhörung des Journalisten Dan McCrum im Wirecard-Untersuchungsausschuss Vorwürfe gegen die Finanzaufsicht Bafin und gegen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erhoben. McCrums Stellungnahme im Untersuchungsausschuss werfe "einen dunklen Schatten auf die Qualität und Urteilskraft unserer Finanzaufsicht", erklärte der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz. Die Aufsicht habe McCrum und seine Kollegin Stefania Palma bei der Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Marktmanipulation angezeigt und damit kriminalisiert und einem Wirecard-Vorstand vertraut, der Kritiker beschatten ließ.
"Es ist schwer vorstellbar, dass Finanzminister Olaf Scholz von all dem nichts wusste", meinte Bayaz. "Realistischer ist, dass er nach kurzem Hin und Her schnell wieder weggeschaut hat." Dass Scholz sich bis heute nicht zu einer angemessenen Reaktion gegenüber McCrum und Palma habe durchringen können, sei "mehr als nur bedauerlich".
Der Journalist der Financial Times, der den Skandal aufgedeckt hatte, war in dem Ausschuss als Sachverständiger und nicht als Zeuge und somit nicht öffentlich angehört worden. In einem von Grünen, Linker und FDP organisierten Pressegespräch hatte McCrum zuvor aber öffentlich Stellung bezogen.
Dabei erklärte er, Deutschland habe die Angelegenheit offenbar seit dem Zusammenbruch von Wirecard sehr ernst genommen, aber es wäre besser gewesen, "einige der über Wirecard aufgeworfenen Fragen ernst zu nehmen, bevor das passierte". Über ein Jahrzehnt vor dem Zusammenbruch des Unternehmens seien schon valide Fragen gestellt worden. "Es gab ein regulatorisches Versagen, diese Fragen ernst zu nehmen oder sie anzuschauen", sagte McCrum. Stattdessen habe es offenbar einen Fokus auf diejenigen gegeben, die diese Fragen gestellt hätten. Bei Wirecard hätten die Wirtschaftsprüfer "spektakulär versagt", betonte er auch.
Vor McCrum hatte der Untersuchungsausschusses mit Kilian Kleinschmidt, einem Berater für Migrationsfragen, "einen Fokus auf mögliche Verbindungen Jan Marsaleks zu russischen Söldnertruppen geworfen", wie der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann mitteilte. Kleinschmidt habe klargestellt, Wirecard sei "nicht nur ein Wirtschaftsskandal". Wirecard habe laut Kleinschmidt "als Finanzierungsdarknet für Milizen und Dienste" gedient. Man habe Wirecard genutzt, um Geld in schwierige Gebiete zu bekommen. Diese Vorwürfe müsse der Ausschuss aufklären. "Dazu gehört für mich die Frage, was unsere Sicherheitsbehörden über die angebliche Rolle von Wirecard als digitalen Agentenkoffer wussten", erklärte Zimmermann.
In dem Skandal um Wirecard ist zunehmend die Rolle der Politik und der Finanzaufsicht ins Zentrum gerückt. Die Behörden stehen in der Kritik, weil sie die Unregelmäßigkeiten zu spät aufgedeckt hätten. Dabei geht es auch um die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen des Engagements für Wirecard bei einer China-Reise im Herbst 2019 und um die politische Verantwortung von Scholz für die Bafin.
Bei dem damaligen DAX-Unternehmen waren im Juni Luftbuchungen von fast 2 Milliarden Euro öffentlich geworden, es befindet sich inzwischen in einem Insolvenzverfahren. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sitzt inzwischen in Haft, Ex-Vorstandsmitglied Jan Marsalek ist flüchtig. Scholz hat inzwischen eine Reform der Bafin angekündigt.
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November 05, 2020 13:13 ET (18:13 GMT)
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