DJ MARKT-AUSBLICK/Börsen dürften Präsident Biden einpreisen
Von Michael Denzin
FRANKFURT (Dow Jones)--Eine interessante Woche steht den Börsen in Europa bevor. Die US-Wahl dürfte kommende Woche entschieden sein und der Gewinner wohl Joe Biden heissen. Die Börsen haben dies bereits mit ihrer Erholungsrally seit dem kleinen Schock der Wahlnacht gekauft. Vor allem die schwergewichteten Technologieaktien im Nasdaq-Index dürften weiter nach oben steigen. Nur ein längeranhaltender Rechtsstreit sollte die Börsen noch ausbremsen.
Historisch gesehen haben US-Aktien unter einem demokratischen Präsidenten und einem gespaltenen Kongress am besten abgeschnitten, im Schnitt habe es eine Jahresrendite von 13,4 Prozent gegeben, sagt Andrea Siviero, Investment Strategist bei Ethenea Independent Investors.
Biden-Sieg entlastet Technologie-Werte
Ob ein überraschender Trump-Sieg noch positiv gesehen würde, wird immer mehr angezweifelt. Denn die Trump-Administration und andere Republikaner hatten Twitter, Facebook und Google vorgeworfen, konservative Aussagen und Inhalte zu unterdrücken. Zudem würden sie die Machtbefugnisse eines Presseherausgebers annehmen und längst keine neutrale Plattform für alle Stimmen mehr darstellen, so die Beobachtung. Entsprechend war der Trump-Kritik auch schnell der Beginn von Kartelluntersuchungen gefolgt.
Mit Blick auf die bisherige US-Rechtsprechung bei der Zerschlagung von Großkonzernen wie AT&T mag zwar unverständlich sein, warum Konzerne mit dieser Machtfülle nicht schon längst zerschlagen wurden. Da Tech-Firmen jedoch klar auf der Seite progressiver Biden-Unterstützer stehen, müssen sich die Börsen mit diesem Risiko wohl nicht mehr auseinandersetzen. Damit steht auch einer Rally der im S&P-500 schwer gewichteten Aktien nichts mehr im Wege.
Grüne Energien dürften outperformen
Begleitet werden dürfte dies von steigender Nachfrage nach Aktien, die Bidens Plan einer grünen Infrastruktur entgegenkommen. Ein Hilfspaket von 2 Billionen Dollar wird erwartet. Biden will am ersten Tag seiner Präsidentschaft zudem dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten: Erneuerbare Energien, Windkraft und Solarenergie dürften zu den Favoriten zählen. Selbst Hersteller von E-Autos dürften profitieren, obwohl der VDI wegen der mit Kohlestrom hergestellten Produkte aus China eine verheerende Ökobilanz sieht.
Die US-Wahl hat indes einen anderen wichtigen Punkt in den Hintergrund gedrängt: Die Geldpolitik der US-Notenbank. Hier hätten sich Marktteilnehmer angesichts der Coronaprobleme längst Lockerungsmaßnahmen erhofft - die US-Wahl hat sie nur in den Hintergrund gedrückt. Die Strategen der Societe Generale weisen darauf hin, ohne Quantitative Easing stünde der S&P-500-Index erst bei 1.800 Punkten.
Ob neue QE-Maßnahmen den Markt noch überraschen, ist indes offen: "Die einst unkonventionellen, groß angelegten Käufe von Vermögenswerten durch die Notenbanken sind mittlerweile konventionell geworden - dauerhaft und grenzenlos", warnt Peter De Coensel, Anlagechef für Renten bei Degroof Petercam Asset Management.
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November 06, 2020 07:34 ET (12:34 GMT)
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