DJ Spahn: Längere Beschränkungen absehbar - Sorge über Altersstruktur
FRANKFURT (Dow Jones)--Auf spürbare Einschränkungen wegen Corona bis weit über das geplante Auslaufen des Lockdowns Ende November hinaus müssen sich die Deutschen nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einstellen. Er sagte am Sonntagabend beim Bild-Talk, es sei Ziel, dass Kitas und Schulen so lange es geht im Regelbetrieb bleiben können und idealerweise durchgängig. Dies könne er aber nicht versprechen.
Mit Sorge blickt Spahn nach eigenen Worten auf die Altersstruktur in Deutschland. Die Bundesrepublik sei nach Japan das zweitälteste Land der Welt. "Bei uns sind 23 Millionen Deutsche über 60. Wir sind ein Wohlstandsland mit Zivilisationskrankheiten: Diabetes, Bluthochdruck, Übergewichtigkeit. Alles Risikofaktoren für dieses Virus, wie für viele Infektionskrankheiten übrigens auch." Ginge man nach der Definition, seien 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung Risikogruppe.
"Wenn von 20.000 Neuinfizierten an einem Tag etwa 2 Prozent in die Intensivmedizin müssen, dann sind das 400 am Tag. Wenn die intensivmedizinische Behandlung und Begleitung 15 Tage im Schnitt dauert - sind das 6.000." Diese Zahl werde Deutschland noch "im November erreichen, das ist im Grunde schon absehbar". Für das Gesundheitswesen sei diese Belastung nur "unter ziemlicher Anspannung" zu bewältigen.
Vor den Beratungen des Corona-Kabinetts zur Priorisierung eines künftigen Corona-Impfstoffs hat Spahn zugleich die Bevölkerung zu einer breiten Diskussion aufgerufen, welche Bevölkerungsteile zuerst geimpft werden sollten. Auch der Bundestag werde sich mit dieser Frage gesetzlich befassen. Eine konkrete Priorisierung könne aber erst dann beschlossen werden, "wenn wir mehr über den Impfstoff wissen".
Zudem warnte der Minister vor zu viel Optimismus: "Wir rechnen und planen damit Anfang nächsten Jahres. Aber bei einer Impfstoff-Entwicklung kann es auch immer noch einen Rückschlag geben".
Spahn wirbt nach der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten darum, dass die USA ihren erklärten Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rückgängig machen. Er wünsche sich für die globale Pandemie-Bekämpfung, "dass die USA unser Partner bleiben auch in der Weltgesundheitsorganisation".
Auf die Frage, wann die Bürger wieder voll über ihre wegen der Pandemie-Bekämpfung eingeschränkten Grundrechte verfügen können, sagte Spahn: "Das ist absehbar für die nächsten Monate sicher nicht der Fall."
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November 09, 2020 01:25 ET (06:25 GMT)
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