…singt man in Amerika immer gerne, wenn Krisen oder Risiken abebben. Und an den Aktienmärkten verlieren gleich zwei Aktien-Risiken an Bedeutung. Die USA bekommen einen Präsidenten, der Geo- und Handelspolitik nicht mehr nur als Kampfarena betrachtet. Nicht zuletzt steht ein wirksamer Corona-Impfstoff offenbar kurz vor der Zulassung, der Chancen auf ein mittelfristiges Zurückfahren der konjunkturschädlichen Lockdowns nährt. Das sind doch gute Aussichten für Aktien, oder?
Show time for Joe, Golf time for Donald
Mit Joe Biden kommt Vertrauen in die US-Außen- und Handelspolitik zurück. Der Amtsinhaber wird zwar mit allen Mitteln an der Legende arbeiten, er habe nur wegen Wahlbetrugs verloren. Es ist aber zu hoffen, dass die republikanische Partei seine eventuelle Politik der verbrannten Erde verhindert. Das könnte im Extremfall auch zu Irritationen an den Märkten führen. Grundsätzlich aber sind Trumps Tage gezählt. An der Börse ist er bereits der "zukünftige Ex-Präsident".
Amerika braucht dringend ein weiteres Stimuluspaket. Aber wie steht es um dessen politische Durchsetzbarkeit? Während die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus behaupten, ist die endgültige Machtverteilung im mitstimmungspflichtigen Senat noch bis zu den Stichwahlen in Georgia im Januar fraglich. Ein Triple in allen drei machtrelevanten Institutionen böte den Demokraten zwar die Chance des auch wirtschaftspolitisch konsequenten Durchregierens.
Demokratische Dreifaltigkeit würde an den Finanzmärkten jedoch skeptisch betrachtet. Sie befürchten, dass in diesem Fall die bei Demokraten beliebten Elizabeth Warren und Bernie Sanders an Einfluss gewinnen. Beide machen aus ihrer Vorliebe für "linke", staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik kein Hehl. Sollten sie - um die gespaltene demokratische Partei zu versöhnen - sogar prominente Ministerposten erhalten, drohen deutlich höhere Unternehmenssteuern und massive Branchenregulierungen. Das ist nicht der Stoff, aus dem die Aktienträume sind.
Da wäre der Börse ein Macht-Split mit einem republikanisch bleibenden Senat als marktwirtschaftliches Korrektiv lieber. Jedoch trägt dieses Szenario wiederum den Makel, dass es zum Gridlock, zum Stillstand im Polit-Betrieb kommt. Schlammschlachten sind ja für beide Parteien nichts Ungewöhnliches. Dann wäre Biden als Menschenfischer für die Ausgestaltung von Kompromissen gefragt. Sollten dann größere Konjunkturpakete im Ausgleich für weniger staatswirtschaftlichen Überschwang vereinbart werden, wären die Finanzmärkte glücklich.
Bis es so weit überhaupt kommt, kann sich die Polit-Volatilität auch auf die Börsen niederschlagen.
Die Schwellenländer hätten Biden gewählt
China ist über den Wahlsieg Bidens wenig erfreut. Das Feindbild verliert an Kraft. Eine weitere geopolitische Spaltung durch die USA, gerade auch des westlichen Bündnisses, hätte Peking mehr strategische Einflusschancen gewährt. Ein Amerika, dass seinen Rückzug in die Isolation beendet und auf der Weltbühne zurück ist, erschwert diese Strategie. Überhaupt, da die freie Welt wieder mehr zusammenhält, scheint auch so manche andere autoritäre Regierung plötzlich Kreide gefressen zu haben. Gut so!
Grundsätzlich erhöht sich der Druck auf China, mit Amerika zusammenzuarbeiten. Und auch Biden hat nichts gegen eine friedliche Koexistenz mit China einzuwenden, wenn es seine unfairen Handelspraktiken deutlich zurückfährt. Wenn statt Konfrontation Kooperation und statt Handelskrieg mehr weltwirtschaftliches Potenzial angesagt ist, liegt darin für die Aktienmärkte der Schwellenländer eine große Chance. Die Risikoaversion der Anleger ihnen gegenüber lässt nach. Tatsächlich zeigen sie alle Aufwärtsbewegungen. Nach der ersten allgemeinen Euphorie wird sich die Spreu jedoch wieder schnell vom Weizen trennen. Den Asiaten ist gegenüber Südamerika klar Priorität einzuräumen. Sie sind deutlich innovativer, wettbewerbsfähiger und ruhen sich nicht auf Bodenschätze aus.
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