DJ MARKT-AUSBLICK/Eine Korrektur im DAX dürfte moderat ausfallen
Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Nach der massiven Eindeckungsrally an den Börsen stehen die Zeichen nun auf Konsolidierung. Bis zur Zulassung eines Covid-19-Impfstoffs bzw dessen Verteilung werden noch Monate vergehen. Derweil verhindert US-Präsident Donald Trump mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einen reibungslosen Machtwechsel im Weißen Haus. Auch sprechen Stimmungsindikatoren kurzfristig gegen eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten. Das Umfeld bleibt übergeordnet indes günstig, auch dank der andauernden Unterstützung durch die Zentralbanken.
Mit Euphorie haben die Börsianer die Nachrichten rund um den Covid-19-Impfstoffkandidaten von Biontech/Pfizer gefeiert. Zu Recht: Denn mit der Perspektive einer Zulassung in den kommenden Wochen zeichnet sich ein Ende der Krise ab. Dennoch wird das Virus die Märkte noch weit ins Jahr 2021 beschäftigen. Denn selbst bei einer Zulassung wird es wohl bis Mitte 2021 dauern, bis der Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Unklar ist auch die Impfbereitschaft der Bevölkerung. Die Impfrate müsste bei etwa 70 Prozent liegen, um eine Herdenimmunität zu erreichen.
Verlängerungen der Lockdowns zeichnen sich ab
Derweil verharrt die Zahl der Infizierten trotz neuer Lockdowns in vielen Ländern auf sehr hohem Niveau. Zum Teil steigt sie sogar weiter, was das Gesundheitssystem zu überfordern droht. Damit sind Verlängerungen der bereits aktiven Lockdowns bzw zusätzliche Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens absehbar, was natürlich Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird. Das betrifft vor allem Europa - bereits jetzt gehen viele Analysten davon aus, dass der Euroraum im vierten Quartal wieder ein Negativwachstum ausweisen wird.
Besser sieht die wirtschaftliche Lage in China und den USA aus, was auch die in der kommenden Woche anstehenden Konjunkturdaten aus beiden Ländern unterstreichen sollten. China hat nicht nur mehr Erfahrungen mit Infektionskrankheiten, sondern hat auch durch einen rigiden Kurs die Infiziertenzahlen auf einem vergleichsweise niedrigem Niveau gehalten. In den USA wird die Wirtschaft bislang von den nicht vorhandenen Lockdowns gestützt - was sich in der sehr hohen Zahl an Infizierten und Toten widerspiegelt.
Bullenanteil der Anleger bei über 50 Prozent
Unter einem Präsidenten Biden könnten die Einschränkungen zunehmen. Der Wahlsieg Bidens wurde an den Börsen gefeiert, vor allem weil er klar ausfiel und die Republikaner vermutlich die Mehrheit im Senat behalten werden. Allerdings weigert sich Trump bislang, wie zuvor befürchtet, das Wahlergebnis anzuerkennen. Die Aussichten, dass er die Wahl doch noch vor Gericht gewinnt, werden von Juristen zwar als äußerst gering eingeschätzt, allerdings könnte die Verzögerung bei der Amtsübergabe auch an den Börsen zunehmend für Nervosität sorgen.
Für eine Konsolidierung an den Aktienmärkten spricht zudem die in der Zwischenzeit erreichte extrem gute Stimmung der Anleger. Laut der wöchentlichen Sentiment-Erhebung der Deutschen Börse liegt der Bullenanteil der DAX-Anleger sowohl bei den Profi- wie auch Privatanlegern in der Zwischenzeit bei 50 Prozent und darüber. Auch unter US-Anlegern ist die Stimmung nach oben geschossen. Laut der jüngsten AAII Sentiment Survey machte der Bullenanteil einen Sprung von 17,9 Punkten auf 55,8 Prozent. Das liegt weit über dem historischen Durchschnitt von 38 Prozent.
EZB wird im Dezember weiter lockern
Die Konsolidierung an den Börsen sollte indes moderat ausfallen. Dafür spricht, dass die EZB im Dezember vermutlich ein großes Lockerungspaket bekannt geben wird. Dieses wird vermutlich eine Erhöhung des PEPP-Pandemiekaufprogramms, neue TLTROs und möglicherweise sogar eine Herabsetzung des Einlagesatzes umfassen. Gegen eine schärfere Korrektur spricht auch, dass die Anleger eine Eintrübung der Wirtschaft im vierten Quartal wohl als vorübergehend erachten werden.
Einige Strategen setzen bereits darauf, dass viele Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Nicht nur haben viele Konzerne massive Restrukturierungen vorgenommen, um die Kosten zu senken. Auch dürfte die in vielen Bereichen der Wirtschaft unvermeidliche Sektorkonsolidierung zur Folge haben, dass es den Überlebenden nach der Krise besser gehen wird als zuvor. Die Folge werden stark steigende Unternehmensgewinne sein, was für mittelfristig steigende Kurse an den Börsen spricht.
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November 13, 2020 07:23 ET (12:23 GMT)
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